Pressespiegel vom 05.11.2024

Inhaltsverzeichnis

Naturwissenschaften / Medizin

Kann ein Infekt Depressionen auslösen?

Neue Zürcher Zeitung D (internationale Ausgabe) (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 24

"Nicht jeder, der an einer Infektion erkrankt, wird auch psychisch krank", betont der Immunbiologe Harald Engler, der an der Universität Duisburg-Essen forscht.

Was hilft bei Kopfschmerzen: Top-Ärztin Dagny Holle-Lee gibt Tipps

WAZ Online am 04.11.2024 ● Auch in: NRZ Online

Die 44-Jährige leitet das größte Zentrum für die Behandlung von Kopfschmerzen in Deutschland. Es gehört zur Universitätsklinik Essen. Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet, Österreich und den Niederlanden warten monatelang auf einen Termin.

Geschlechtersensible Medizin in NRW

Health&Care Management (Fachzeitschrift) vom 29.10.2024, S. 56-57

In der Genomik habe jede Zelle des Körpers ein Geschlecht, erläuterte Prof. Dr. Anke Hinney, Institut für Gendermedizin, Universität Duisburg-Essen. Die geschlechtersensible Gesundheitsversorgung erstrecke sich auf die Bereiche Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation.

Herzinfarktanalyse in 20 Sekunden

Management & Krankenhaus Online am 04.11.2024 ● Auch in: Biermann Medizin online • Med engineering Online

Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen hat eine neue Methode entwickelt, die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu schnelleren Messergebnissen führt.

Leitlinienentwurf: Schmerztherapie in der Geriatrie

aerzteblatt.de am 04.11.2024

Prof. Dr. rer. medic. Erika Sirsch, MScN, RN, Professorin für Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Interprofessionalität, Institut für Didaktik in der Medizin Universität Duisburg-Essen und eine Leitlinienautorin, erklärte, man habe die 2017 erstellte und 2022 abgelaufene S3-Leitlinie "Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe" als Basis verwendet und Empfehlungen daraus aktualisiert ( 5).

Geisteswissenschaften / Gesellschaftswissenschaften / Politikwissenschaften / Bildungswissenschaften

"Korte & Rink" zur Lage der Ampel: Die Hütte brennt nicht

mittelhessen.de am 04.11.2024 ● Auch in: Allgemeine Zeitung Online • Bürstädter Zeitung Online • Hochheimer Zeitung Online • Lampertheimer Zeitung Online • Main-Spitze Online • Wiesbadener Kurier Online • Wormser Zeitung Online

Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sieht das Thesenpapier von FDP-Finanzminister Lindner nicht als Scheidungspapier in der Koalition, sondern als Mobilisierungsversuch.

Kommentare: Ampel-Streit: Regierungsarbeit ist keine Reality-Show

Wiesbadener Kurier, Wiesbaden (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 2 ● Auch in: Allgemeine Zeitung Alzey • Allgemeine Zeitung Mainz-Rheinhessen • Allgemeine Zeitung Online • Allgemeine Zeitung Rheinhessen-Nahe • Bürstädter Zeitung • Bürstädter Zeitung Online • Darmstädter Echo • Dieburger Anzeiger • Dill-Zeitung • Echo Online + 20 weitere Quellen »

Führende Politikwissenschaftler wie etwa Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte blicken recht gelassen auf das Schauspiel in Berlin.

Zwischen Ernst und Entertainment

NRZ Neue Ruhr Zeitung, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 18 ● Auch in: Westdeutsche Allgemeine WAZ Essen

In den USA fürchten viele das Gegenteil. "Erstmals in der globalen Erfolgsgeschichte westlicher Demokratien ist dies eine Wahl, bei der es um die Zukunft demokratischer Prozesse gehen wird", betont Barbara Buchenau von der Uni Duisburg-Essen.

Trump oder Harris? In Essen fiebern 1300 US-Amerikaner mit

WAZ Online am 04.11.2024 ● Auch in: NRZ Online

"Erstmals in der globalen Erfolgsgeschichte westlicher Demokratien ist dies eine Wahl, bei der es um die Zukunft demokratischer Prozesse gehen wird", betont Barbara Buchenau von der Uni Duisburg-Essen.

Uni Duisburg/Essen: Mercator-Professorin 2024 kommt zu uns

Radio Essen Online am 04.11.2024

Dr. Carolin Emcke wird 2024 Mercator-Professorin an der Universität Duisburg-Essen.

Partnersuche nach Wahldebakel

NZ Nordbayerische Zeitung, Neumarkt Stadt und Land (HNM) (Tageszeitung) vom 29.10.2024, S. 4 ● Auch in: Hersbrucker Zeitung • NZ Nordbayerische Zeitung, Aus Nürnberg-Land (DB) • NZ Nordbayerische Zeitung, Forchheim (HFO) • NZ Nordbayerische Zeitung, Fürth Stadt und Land (HFG) • NZ Nordbayerische Zeitung, Gunzenhausen/Fränkisches Seenland (HAB) • NZ Nordbayerische Zeitung, Hersbrucker Zeitung • NZ Nordbayerische Zeitung, Pegnitz Zeitung • NZ Nordbayerische Zeitung, Roth Stadt und Land (HRV) • NZ Nordbayerische Zeitung, Schwabach Stadt und Land (HST) • NZ Nordbayerische Zeitung, Stadt Erlangen (HEN) + 3 weitere Quellen »

Der Erfolg von Nodas Oppositionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, Der japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba. Foto: kyodo/dpa sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, der Deutschen Presse-Agentur.

Japans Premier kämpft um seine Macht

Rhein-Sieg-Anzeiger (Tageszeitung) vom 29.10.2024, S. 2

Der Erfolg von Nodas Oppositionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.

Japans Premier kämpft um seine Macht

Böhme Zeitung (Tageszeitung) vom 29.10.2024, S. 19

Der Erfolg von Nodas Oppositionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.

Diversity zwischen Anspruch und Realität

Universität Zürich UZH (Internet-Publikation) am 04.11.2024

Ist Diversität ein gesellschaftliches Ideal oder ein bequemes Etikett? Darüber diskutierten unter der Leitung von UZH-Philosophieprofessor Christoph Halbig die Sozialpolitik-Professorin Ute Klammer (Universität Duisburg-Essen) und Rechtsprofessor Daniel Markovits (Yale Law School) in der UZH-Veranstaltungsreihe «Wer darf bei uns reden?».

Drei Fragen an Humboldt-Stipendiatin Dr. Sara Namusoga-Kaale

TU Dortmund (Internet-Publikation) am 04.11.2024

"Außerdem werde ich im Januar 2025 an der Universität Duisburg-Essen einen Vortrag über Migration in Europa und Afrika halten. Schließlich bin ich eingeladen worden, eine regelmäßige Kolumne für das European Journalism Observatory zu schreiben."

Ein Training gegen Stammtischparolen

Westfalen-Blatt, Halle (Tageszeitung) vom 05.11.2024

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer, an der Universität Duisburg-Essen tätiger Politologe und Erwachsenenbildner, hat ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen entwickelt.

Eine Frage des Preises

Rhein-Sieg-Anzeiger (Tageszeitung) vom 12.10.2024, S. 41

Wir hätten keinesfalls zu viele Auszeichnungen, meint Alexandra Pontzen, Literaturprofessorin an der Universität Duisburg-Essen

Florian Philipp Ott (FDP) tritt im Wahlkreis 113 an

Rheinische Post, Duisburg (Tageszeitung) vom 05.11.2024 ● Auch in: Rheinische Post Moers • Rheinische Post Moers-Xanten • Rheinische Post Xanten

Ott ist Politikwissenschaftler und Psychologe. Im Rahmen eines nebenberuflichen Lehrauftrags ist er Dozent an der Universität Duisburg-Essen.

Bundestagswahl 2025: Florian Philipp Ott tritt für die FDP an

WAZ Online am 04.11.2024 ● Auch in: LokalKlick • NRZ Online

Florian Philipp Ott ist Politikwissenschaftler und Psychologe. Im Rahmen eines nebenberuflichen Lehrauftrags ist er außerdem Dozent an der Universität Duisburg-Essen.

CineScience: Der Western als Spektakel zwischen Exzess und Kitsch

regioactive.de am 05.11.2024

Eine Veranstaltung des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) in Kooperation mit dem Filmstudio Glückauf.

Universitätsallianz Ruhr / Research Alliance Ruhr

„ONE HEALTH RUHR“

Spitzenforschung im Revier: Das lässt Krebspatienten hoffen

WAZ Online am 04.11.2024

Die Krebsforscherin mit internationalem Ruf gehört zum Team des neuen Spitzenforschungszentrums „Research Center One Health Ruhr“, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen und Revier-Universitäten zusammen herausfinden wollen, wie Gesundheit und Umwelt ineinandergreifen.

Gesundheit: Revier-Unis forschen gemeinsam

Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 1 ● Auch in: Westdeutsche Allgemeine WAZ Bochum • Westdeutsche Allgemeine WAZ Bottrop • Westdeutsche Allgemeine WAZ Castrop-Rauxel • Westdeutsche Allgemeine WAZ Dortmund • Westdeutsche Allgemeine WAZ Duisburg • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gelsenkirchen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gladbeck • Westdeutsche Allgemeine WAZ Hattingen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Heiligenhaus, Velbert • Westdeutsche Allgemeine WAZ Herne + 16 weitere Quellen »

Auf dem Areal der Zeche Zollverein ist am Montag das interdisziplinäre Forschungszentrum "One Health Ruhr" eröffnet worden. An dem Zentrum beteiligt sind die Uni Duisburg Essen, die Ruhr-Uni Bochum und die TU Dortmund.

Spitzenforschung im Revier geht an den Start

Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 22 ● Auch in: Westdeutsche Allgemeine WAZ Bochum • Westdeutsche Allgemeine WAZ Bottrop • Westdeutsche Allgemeine WAZ Castrop-Rauxel • Westdeutsche Allgemeine WAZ Dortmund • Westdeutsche Allgemeine WAZ Duisburg • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gelsenkirchen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gladbeck • Westdeutsche Allgemeine WAZ Hattingen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Heiligenhaus, Velbert • Westdeutsche Allgemeine WAZ Herne + 6 weitere Quellen »

Ein Millionenprojekt im Ruhrgebiet: 14 Fachleute sollen bei "One Health Ruhr" unter einem Dach arbeiten.

Neues Forschungsareal auf Zollverein mit "360-Grad-Perspektive"

NRZ Neue Ruhr Zeitung, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 22 ● Auch in: NRZ Düsseldorf • NRZ Neue Rhein Zeitung Dinslaken • NRZ Neue Rhein Zeitung Emmerich, Kleve • NRZ Neue Rhein Zeitung Moers • NRZ Neue Rhein Zeitung Rheinberg • NRZ Neue Rhein Zeitung Wesel • NRZ Neue Ruhr Zeitung Duisburg • NRZ Neue Ruhr Zeitung Mülheim • NRZ Neue Ruhr Zeitung Oberhausen

Wüst würdigte die Forschungslandschaft im Ruhrgebiet als einzigartig in Europa. Im "Revier" seien fünf Universitäten, 17 Hochschulen für angewandte Wissenschaften, vier Max-Planck- sowie vier Leibniz-Institute und fünf Fraunhofer-Institute zu Hause. Zudem bündelten die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen in der Universitätsallianz Ruhr (UA) ihre Kompetenzen und setzten bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit sowie beim Studienangebot bundesweit Maßstäbe.

Spitzenforschung im Ruhrgebiet

Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Die (Internet-Publikation) am 04.11.2024

Interdisziplinäre Forschungszentren der Research Alliance Ruhr zu den großen Zukunftsfragen: Wie bleiben Mensch und Umwelt gemeinsam gesund?

Wie gelöste Elemente neue Korngrenzphasen bilden

Analytik News (Internet-Publikation) am 05.11.2024 ● Auch in: analytik.de

"Eisenatome lagern sich nicht nur an die Grenzfläche an, sondern bilden völlig unerwartete käfigartige Strukturen", erklärt Prof. Dr. Christian Liebscher vom Research Center Future Energy Materials and Systems der Universitätsallianz Ruhr. Ein solches Verhalten hatten die Forscher nicht erwartet. Ihre Ergebnisse sind in der Zeitschrift Science veröffentlicht worden.

Artikel

Naturwissenschaften / Medizin

Neue Zürcher Zeitung D (internationale Ausgabe) (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 24

Kann ein Infekt Depressionen auslösen?

Die medikamentöse Behandlung einer schweren Depression läuf t heute auf Symptombekämpfung hinaus. Die Ursache des Leidens könnte auch eine unerkannte Entzündung sein.

250 Millionen Menschen leiden weltweit an einer Depression. Und schätzungsweise jeder Fünfte von ihnen hat auffallend viele sogenannte Entzündungsmarker im Blut. Weniger zwar als bei einem akuten Infekt, aber doch mehr als beim Durchschnitt der Gesunden. Könnte es also sein, dass bei diesen Patienten eine Entzündung die Ursache für die psychische Erkrankung ist? Diese Fragen stellt sich das Forschungsfeld der Immunopsychiatrie. Der Ansatz ist revolutionär.

Bis heute zielt die medikamentöse Behandlung von Depressionen nur auf die Linderung der Symptome. Denn die Ursache für diese liegt im Dunkeln, obwohl sich schon Generationen von Psychiatern, Psychologen und Biologen damit beschäftigt haben. Vieles spricht dafür, dass der neue Ansatz mindestens einem Teil der Patienten präziser helfen könnte.

Die besten Belege für einen möglichen Zusammenhang zwischen einer psychischen Erkrankung und einer vorangegangenen Infektion stammen aus Dänemark. Dort wird die Krankengeschichte jedes Patienten, der schon einmal im Spital war, zentral erfasst. Und es zeigt sich: Je schwerer eine Infektion mit einem Virus oder Bakterium verläuft, desto eher leidet dieser Mensch später an einer Depression. Ein Beispiel für einen viralen Infekt ist Sars-CoV-2. Wer deswegen hospitalisiert werden musste, litt später mehr als doppelt so häufig an einer psychischen Erkrankung als der Durchschnitt der Bevölkerung. "Je schwerer der Krankheitsverlauf, desto eher finden wir später eine psychische Erkrankung beim Patienten", sagt der Psychiater Michael Eriksen Benros, der an der Universität Kopenhagen forscht.

Um die Wirkung eines spezifischen Virus geht es den Immunopsychiatern aber nicht. Sie haben viele verschiedene Mikroben in Verdacht. Welche davon im Einzelfall eine Immunreaktion ausgelöst hat, ist im Nachhinein manchmal nicht festzustellen. Doch ein statistischer Zusammenhang ist allemal da. Besonders Patienten, die wegen eines Infekts der Atemwege – egal welcher Ursache – ins Spital mussten, hatten später ein erhöhtes Risiko, psychisch zu erkranken.

Junge besonders betroffen

Die Kindheit und Jugend scheint eine besonders heikle Lebensphase zu sein. Das geht aus der Analyse der Krankengeschichte von über einer Million jungen Menschen in Dänemark im Alter von 6 bis 23 Jahren hervor, die einmal in ihrer Kindheit wegen eines Infekts in Spitalpflege waren. Während durchschnittlich eines von 10 Kindern einmal an einer Angststörung leidet, waren es bei den hospitalisierten Kindern fast doppelt so viele, also 2 von 10 Kindern.

"Nicht jeder, der an einer Infektion erkrankt, wird auch psychisch krank", betont der Immunbiologe Harald Engler, der an der Universität Duisburg-Essen forscht. Denn eine Frage können diese Daten nicht beantworten: Was war zuerst, die Anfälligkeit für die Infektion oder diejenige für die psychische Krankheit? Oder gibt es gar eine dritte, möglicherweise genetische Veranlagung, die beides gleichermassen beeinflusst?

Aufwarten kann die Wissenschaft dafür mit Erklärungen, auf welchem Weg eine Infektion das Gehirn und damit die Psyche schädigen kann. Ein Mechanismus könnten Verletzungen der kleinen Blutgefässe im Gehirn sein. Solche "Lecks" in der sogenannten Blut-HirnSchranke führen dazu, dass Schadstoffe ins Hirn gelangen. Und manchmal greift das Immunsystem gar die eigenen Gehirnzellen an.

Der Ulmer Psychiater Karl Bechter ist einer der Vorreiter der Immunopsychiatrie. 2001 veröffentlichte er erstmals seine These, dass eine "milde Enzephalitis", also eine unterschwellige Entzündung im Gehirn, für psychiatrische Erkrankungen verantwortlich sein könnte. Eine Verletzung der Blut-Hirn-Schranke wäre die Bedingung dafür. "Hirnerschütterungen können die Venen und Arterien in der Nähe des Gehirns mechanisch schädigen", sagt Bechter. Aber auch Umweltgifte wie Aluminium oder Blei und eben eine Infektion können der Blut-Hirn-Schranke schaden. Bis zu 70 Prozent der Patienten mit schweren Depressionen könnten an einer milden oder sehr milden Entzündung des Zentralnervensystems, also des Gehirns leiden, sagt Bechter gegenüber der NZZ. Genauere Analysen der Hirnflüssigkeit könnten in Zukunft dabei helfen, diese Patienten zu identifizieren.

Ein anderer Mechanismus könnte direkt den Stoffwechsel der Patienten betreffen. Denn um gesund zu sein, braucht das Gehirn ausreichend Rohstoff, damit das Glückshormon Serotonin gebildet werden kann. Diesen Rohstoff, das Tryptophan, müssen wir mit der Nahrung, etwa mit Eiern, Nüssen oder Käse, zu uns nehmen. Kämpft der Körper aber mit einer Entzündung, so wird Tryptophan vermehrt von Enzymen im Magen-Darm-Trakt zersetzt. Und im Gehirn steht dann nicht genug zur Verfügung. Dieser biologische Mechanismus erklärt unser Verhalten, wenn wir etwa mit einer Erkältung kämpfen. Wir ziehen uns in unsere vier Wände zurück, schlafen viel, und manchmal essen wir mehr als gewöhnlich. Dadurch spart der Körper Energie, und die Krankheitserreger werden weniger an die Mitmenschen übertragen.

Es gibt depressive Patienten, die verhalten sich ganz ähnlich. Sie beginnen ihre Freunde nicht mehr zu treffen, schlafen und essen mehr als vorher. Eine unterschwellige Entzündung und der damit einhergehende Serotoninmangel könnten also die Symptome erklären.

Neueste Forschungsansätze prüfen bereits die Wirkung von Medikamenten, die das Immunsystem beeinflussen. Und sie zeigen, dass antiinflammatorische Behandlung den schwer depressiven Patienten hilft. Grund genug, die neue Therapie einzusetzen, ist das aber noch nicht. "Keinesfalls sollten antiinflammatorische Medikamente generell jedem depressiven Patienten verabreicht werden", sagt der Immunbiologe Engler. Zu gross sind bei dauernder Einnahme ihre Nebenwirkungen, die das Ausmass bei klassischen Antidepressiva weit übersteigen. Er versucht in seiner Forschung jene Patienten zu identifizieren, denen diese Behandlung am ehesten nützen könnte.

Einer von mehreren Stressoren

Der Neurologe und Psychiater Johann Steiner erforscht das Immunsystem von psychiatrischen Patienten am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit in Magdeburg. Auch er ist zurückhaltend, wenn es um Veränderungen der üblichen Behandlung von Depressionen geht. "Es gibt Fachleute, die versuchen, die gesamte Psychiatrie durch die Brille der Immunologie zu erklären", sagt Steiner. Er meint damit unter anderem den Ulmer Psychiater Bechter, der die Theorie der "milden Enzephalitis" schon vorantrieb, als viele seiner Kollegen noch skeptisch waren.

Steiner selber hält sich an das bewährte "Vulnerabilitäts-Stress-Modell", um zu erklären, warum eine psychische Krankheit entsteht: Laut diesem wirken verschiedene Stressoren auf den Menschen ein. Eine Infektion ist also nur einer von mehreren Stressoren, die das Fass zum Überlaufen bringen können. Immerhin: Die Psychiatrie ist um einen Erklärungsansatz für schwere Depressionen reicher. Und das Fachgebiet der Immunopsychiatrie hat in den letzten Jahren – auch aufgrund der Pandemie und der Erfahrung mit den daraus hervorgehenden Langzeitpatienten – mehr Aufmerksamkeit erfahren.

Sollten sich die Hoffnungen der Forscher bestätigen, könnte einem Teil der Patienten mit einer Depression in Zukunft besser geholfen werden. Oder aber sie wären gar keine Fälle für die Psychiatrie mehr, weil die organische Ursache für die Erkrankung behandelbar wird. Ähnliches gab es in der Medizin schon früher. Vor gut 100 Jahren verschwanden viele verwirrte und demente Patienten aus den Kliniken. Denn mit dem neu entdeckten Antibiotikum Penicillin konnten Ärzte plötzlich die Ursache der Erkrankung, die Syphilis, behandeln.

So einfach wird die Lösung im Falle der schweren Depressionen kaum sein. Aber es lohnt sich, weiter daran zu forschen, immerhin leiden weltweit 250 Millionen Menschen an einer Depression. Könnte ein Viertel von ihnen besser behandelt werden, wäre das ein grosser Fortschritt.

Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn vor Schadstoffen
Die Blut-Hirn-Schranke ist die Barriere zwischen dem Blutkreislauf und dem Zentralnervensystem. Sie wird aus der Wand der Blutgefässe gebildet.

Entzündungshemmende Medikamente können depressiven Patienten helfen. Die Therapie hat aber auch schwere Nebenwirkungen.

WAZ Online am 04.11.2024

Was hilft bei Kopfschmerzen: Top-Ärztin Dagny Holle-Lee gibt Tipps

Was bei Kopfschmerzen und Migräne hilft, weiß die Ärztin Dagny Holle-Lee. Warum die 44-Jährige ihre Spitzenmedizin von Essen aus betreibt.

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Essen.

Neonleuchter an der Decke erhellen die langen, fensterlosen Flure. Schuhsohlen quietschen auf dem Linoleumboden. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Dagny Holle-Lee schließt eine Tür auf. Im Raum dahinter steht ein Schreibtisch mit einem Bürostuhl, über dessen Lehne ein weißer Kittel hängt. Vor dem Tisch sind zwei Stühle platziert, in der Ecke eine schwarze Liege. "Hier findet alles statt", sagt die Ärztin. Hier betreibt sie ihre Spitzenmedizin.

Die 44-Jährige leitet das größte Zentrum für die Behandlung von Kopfschmerzen in Deutschland. Es gehört zur Universitätsklinik Essen. Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet, Österreich und den Niederlanden warten monatelang auf einen Termin. Wer vor Holle-Lee sitzt, den erwarten keine schweren Apparate. "Wir machen nur Tests, um andere Erkrankungen auszuschließen", sagt die Neurologin. Sie hört zu. Und lässt sich von den Momenten erzählen, in denen der Schmerz im Kopf auftaucht. Davon, was das Leiden mit den Patienten macht und wie es Beziehungen belastet.

Da ist zum Beispiel das Schmatzen. Für die Betroffenen kann es fast unerträglich sein. Sie hören es überdeutlich. Jede Kaubewegung ihres Partners. Und ihr Gegenüber? Der merkt gar nichts. "Ein Migräne-Hirn kann Reize von außen nicht gut verarbeiten", erklärt Holle-Lee. Es sei überempfindlich und nehme alles zu stark wahr. "Die Betroffenen erleben oft Unverständnis", sagt die Ärztin.

Wir treffen Dagny Holle-Lee in Essen für das Videoformat " Wegbier ". Hier führen uns Frauen aus dem Ruhrgebiet zu Orten, die für sie eine besondere Bedeutung haben. Unterwegs erzählen sie ihre Geschichte.

Die Ärztin wählt als Getränk für den Weg eine Limo statt Bier. Weil sie selbst unter Migräne-Attacken leide, trinke sie generell wenig Alkohol. Viele Menschen würden Alkoholkonsum nur mit einem Kater verbinden. Häufiger triggere das Trinken aber eine Kopfschmerzerkrankung. "Dann wacht man morgens auf und denkt: Ich habe einen Kater. Tatsächlich ist es eine Migräne-Attacke."

Die große Unwissenheit treibt die Oberärztin um. Zwei von drei Menschen leiden zumindest zeitweise unter Kopfschmerzen. Doch viele nähmen das einfach hin, weil sie es so kennen oder weil auch die Mutter schon darunter gelitten habe. "Es ist nicht normal, Kopfschmerzen zu haben", stellt Holle-Lee klar. Gegen die Erkrankung könne man immer etwas tun. Doch das wüssten viele nicht.

Auf Instagram klärt sie deshalb unter dem Account migraene_doc auf. Ihr wichtigster Tipp ist ein gleichmäßiger Lebensrhythmus. Viele Menschen bekämen am Wochenende Migräne, wenn der Stresspegel sinkt und der Wecker später klingelt. "Dann hilft es häufig schon, auch am Wochenende nicht auszuschlafen." Sport sei ebenfalls ein gutes Mittel, um die Barrierefunktion des Gehirns zu stärken. Doch die Medizinerin stellt klar: "Auch wer das perfekte Leben führt, kann Kopfschmerzen haben."

Dass die Krankheit verharmlost wird, liegt für die Medizinerin daran, dass Frauen doppelt so oft betroffen sind wie Männer. "Es gibt immer noch die Ansicht, das seien überreizte Frauen, die ein bisschen hysterisch sind", sagt sie. "Dann wird das nicht ernst genommen."

Holle-Lee läuft an einem Gebäudekomplex an der Hufelandstraße im Stadtteil Holsterhausen vorbei. Hier, oberhalb einer Tankstelle, hatte das Kopfschmerz-Zentrum seinen Sitz, als sie als junge Assistenzärztin ihre Karriere begann. "Der Aufzug war immer kaputt", erinnert sie sich. Schon damals sei Essen groß in der Kopfschmerz-Medizin gewesen.

"Das Ruhrgebiet war am Anfang ein Schock", gibt Holle-Lee zu. Aufgewachsen ist sie in "einer ganz aufgeräumten Stadt", in Wiesbaden, sie lebte in Jerusalem und Boston. Inzwischen reizen sie an Essen gerade die Gegensätze: "Man muss erst einmal verstehen, dass man auch in einem so schäbigen Gebäude gute Medizin ausüben kann." Sie selbst trifft in diesen Räumen über der Tankstelle auf Ärztepersönlichkeiten, die sie mit ihrer Expertise für das Fach maßgeblich prägen. Ihr wichtigster Mentor habe sich viele Patienten mit ihr gemeinsam angeschaut. "Ich glaube, dass man so Medizin am besten lernt, dass man jemandem zuguckt, der das mit Leidenschaft macht und von dem man lernen kann."

"Es ist gut, wenn man einen Kompromiss zwischen Muttersein und dem Beruflichen findet""

Heute verlässt Holle-Lee die Behandlungsräume um 17 Uhr. Sie möchte Zeit für ihren Sohn haben. "Es ist anstrengend", sagt sie. Für Frauen sei es viel schwieriger, eine Familie zu haben und als Ärztin eine Führungsposition einzunehmen. Obwohl es mehr Medizinstudentinnen gebe, seien auf der Leitungsebene kaum Frauen. "Ich habe auch gewartet, Mutter zu werden, bis ich Oberärztin war." Mit einem Kind wolle man nicht mehr bis 22 Uhr abends in der Klinik sein. Hier brauche es andere Strukturen. Den ersten Kampf müssten Frauen aber zu Hause ausfechten und den Partner in die Pflicht nehmen. "Es ist gut, wenn man einen Kompromiss findet zwischen Muttersein und sein berufliches Ding machen zu können."

Eine Spazierlänge von der Uniklinik entfernt liegt für Holle-Lee das schönste Viertel der Stadt. In Rüttenscheid schlendert die Ärztin an kleinen Läden und hübschen Cafés vorbei. In einem ihrer Lieblingsorte, dem Gin & Jagger am Christinenpark, bestellt sie am liebsten Avocado-Pommes. Am Ruhrgebiet und insbesondere der Stadt Essen gefällt ihr, wie viele unterschiedliche Menschen hier leben und wie viele Möglichkeiten von Theater bis Musik es hier gibt: "Ich weiß gar nicht, ob es noch irgendwo in Deutschland so vielfältig ist wie hier."

Auf ein Wegbier - Neues Videoformat gestartet

Zehn Frauen, zwei Getränke, ein Weg: Im neuen Video-Format Wegbier trifft sich Anne Krum, Chefredakteurin Digital, in zehn Folgen mit Frauen aus dem Ruhrgebiet. Sie starten am Kiosk. Mit einem Getränk in der Hand gehen sie zu prägenden Orten oder Lieblingsplätzen. Auf dem Weg erzählen die Frauen ihre Geschichten. Was treibt sie an, was um?

Kampfsportlerin Mandy Böhm trinkt in der ersten Folge (ab 13. September) kein Bier, aber Kaffee. Beim Streifzug durch Gelsenkirchen erzählt sie, warum sie zwar nicht so aussieht, sie sich selbst aber für ein "Monster" hält.

In der zweiten Folge erzählt Sängerin Marie Wegener, warum sie trotz Morddrohung und Hassnachrichten an ihrem Traum arbeitet: auf großen Bühnen zu stehen mit ihrer eigenen Musik.

Die Kabarettistin Esther Münch hat ihre Heimat derartig lieben gelernt, dass sie fest davon überzeugt ist, ihre Heimat riechen zu können. In der dritten Folge führt sie durch ihre Heimat Bochum.

In der vierten Folge berichtet die frühere Spitzensportlerin und Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg, wie sie auf den Straßen von Duisburg das Kicken erlernte und warum ihre Mutter dagegen war, dass sie im Verein spielt. Sie erzählt auch, wie sie durch ihre Erkrankung ihren Job nicht mehr machen konnte.

In der fünften Folge erzählt Fernsehmoderatorin und Autoverkäuferin Panagiota Petridou, dass sie ihre Menschenkenntnis vor allem in der Kneipe ihrer Eltern gewonnen hat. Mutter und Vater sind als Gastarbeiter in den 60er Jahren nach Nordrhein-Westfalen gekommen.

In der sechsten Folge stellt Jasmin Wolz ihren Alltag als Feuerwehrfrau in Bochum vor. Sie ist eine von ganz wenigen Frauen, die diesen Job ergreifen. Sie berichtet, dass sie als Jugendliche "das Männer-Ding" Feuerwehr abstoßend fand und wie sie nun ihren Traumjob gefunden hat.

In den weiteren Folgen sind mit dabei: Oberärztin Dagny Holle-Lee, Musikerin Cassandra Mae, Female Empowerment Coach Britta Cornelißen und DJ Rubiga Murugesapillai.

Die Folgen erscheinen wochenweise neu auf unserer Wegbier-Formatseite.

Health&Care Management (Fachzeitschrift) vom 29.10.2024, S. 56-57

Geschlechtersensible Medizin in NRW

56 Zukunft & Versorgung Whitepaper Geschlechtersensible Medizin in NRW Das Cluster Medizin.NRW hat ein Whitepaper mit dem Titel „Gendermedizin in NRW - die Bedeutung der geschlechtersensiblen Medizin in Nordrhein-Westfalen“ veröffentlicht. Es wurde durch Mitglieder des Leuchtturms Gendermedizin.NRW erstellt. as Whitepaper bietet neben Deinem systematischen Überblick auch Erfolgsbeispiele u.a. in onkologischen Erkrankun-Gendermedizin in NRWY gen oder bei der Primärversorgung chronischer Schmerzen. Es zeigt, wie geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Forschung und Praxis berücksichtigt werden - samt Mehrwert für Forschung und Versorgung. Damit möchten die Autor:innen aufzeigen, dass die Berücksichtigung geschlechterspezifischer Aspekte nicht nur geboten ist, sondern einen enormen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn birgt, der zu einer signifikanten Verbesserung der Versorgung führen kann. In einer Online-Veranstaltung zur Vorstellung des Whitepapers gab Prof. Dr. Sabine Oertelt-Prigione, AG Geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld, einen Überblick zur Gendermedizin und stellte geschlechtsspezifische Unterschiede in der Symptomatik dar: Asthma äußere sich bei Mädchen häufig als trockener Husten, bei Jungen eher durch das typische Giemen. Alzheimer sei bei Das von Expertinnen und Experten erstellte Whitepaper bietet einen systematischen Überblick der geschlechtersensiblen Medizin in NRW. den Erkrankungen, in denen Frauen und Männer unterschiedlich stark betroffen sind, insbesondere bei kardiokonsum, Rauchen, mangelnde Bewegung bzw. Schlaf, Bluthochdruck oder Stress verringert würden. So könne vaskulären Krankheiten. man einige Lebensjahre gewinnen Präventionsforschung im Blick - unabhängig von der genetischen Voraussetzung: Das zeigten Studien Prof. Dr. Gertraud T. Stadler, die an der Charité Universitätsmedizin Berlin den Arbeitsbereich Geschlechaus den USA und Großbritannien. Frauen häufiger mit Verhaltensänderungen und emotionalen Beschwerden assoziiert, bei Männern hingegen mit Apathie und physischen Symptomen. In neueren Studien seien Frauen nicht mehr ausgeschlossen, oft bestehe eine gleichmäßige Beteiligung. Allerdings gebe es erhebliche Unterschiede bei HCM | 15. Jg. | Ausgabe 5/2024 terforschung in der Medizin (GIM) leitet, nahm die geschlechtersensible Präventionsforschung in den Blick. Sie zeigte, dass Männer früher sterben als Frauen, insbesondere in schlechten sozialen Lagen. Vermeidbar sei diese Morbidität, wenn Risikofaktoren wie ungesunde Ernährung, Alkohol-Whitepaper Hier geht's zum Download für das Whitepaper: https://www. medizin.nrw/wp-content/ uploads/Whitepaper_Gendermedizin-in-NRW 2024Web.pdf. Bild: Adobe Stock/Medizin.NRW Bild: privat Allerdings müssten Geschlecht und (HKE), und beeinflussen bestimmte Diversität systematisch einbezogen Krankheiten geschlechtsspezifisch. werden, in der Forschung sowie in der klinischen Praxis, der Entwicklung Durch die geschlechtsspezifische Auswertung sollte eine effektivere von Maßnahmen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen und in der Organisation. Stadler sagte, es bestehe ein hoher Bedarf an geschlechter- und Früherkennung und eine bessere Therapie erzielt werden. Prof. Burkhard Sievers, Gender-Herz-Zentrum Sana Klinikum 11 Unser Whitepaper zeigt die Potenziale der geschlechtersensiblen Medizin in NRW, die Qualität von medizinischer Forschung und Versorgung zu steigern, und gibt Orientierung, wie diese Potenziale künftig noch besser genutzt werden können. Dr. Patrick Guidato, Clustermanager Medizin.NRW diversitätssensibler Prävention. Diese Remscheid, betonte, dass Männer sei machbar, akzeptabel, wirksam, kostengünstig, skalierbar und verankerbar in bestehenden Strukturen. Die Herausforderungen bestehen in den zwar mehr an HKE leiden, Frauen aber häufiger daran sterben. Ein wichtiger Grund seien die frauenspezifischen Risikofaktoren, die häufig nicht Datenlücken, dem Nachholbedarf bei der Digitalisierung und im Anfangsbeachtet werden. So haben Frauen mit Diabetes und Nikotinkonsum investment. Die Wirkung werde über Jahre erhalten bleiben und organisatorische sowie individuelle Veränderungen für alle Gesundheitsberufe beinhalten. ein deutlich höheres Risiko für HKE. Die medikamentöse Behandlung bei betroffenen Frauen sollte anders erfolgen als in der für Männer entwickelten Leitlinie. Häufig benötigten die Damen Kombinationspräparate und Genomweite Assoziationsanalyse In der Genomik habe jede Zelle des Körpers ein Geschlecht, erläuterte Prof. Dr. Anke Hinney, Institut für Gendermedizin, Universität Duisburg-Essen. Die geschlechtersensible Gesundheitsversorgung erstrecke sich auf die Bereiche Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation. So seien etwa die Organe Leber oder Herz bei Transplantationen unterschiedlich eine niedrigere Dosierung. Zum Abschluss wurden noch ein Projekt zur Genderkommunikation aus der Universität Münster, das Startup Equal Care, und die geschlechtersensible Medizin in Drittmittelanträgen am Beispiel der EU-Förderung Horizon aufgezeigt. Weitere Veranstaltungen zum Thema sollen folgen. für Frauen und Männer zu betrachten. Die Expertin erläuterte zudem genomweite Assoziationsanalysen: Manche DNA-Varianten hätten einen prädiktiven Wert auf das Erkrankungsrisiko, beispielsweise bei Adipositas, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Mirjam Bauer freie Journalistin, Health-IT, Kontakt: mirjam. bauer@gmx.de

Management & Krankenhaus Online am 04.11.2024

Herzinfarktanalyse in 20 Sekunden

Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen hat eine neue Methode entwickelt, die durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu schnelleren Messergebnissen führt.

Zum Originalbeitrag

Um die Größe eines Herzinfarktes in Laborversuchen zu bestimmen, werten Forschende Bilder von betroffenen Schweineherzen bislang in ca. 90 Min. "von Hand" aus. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz beschleunigt den Vorgang auf etwa 20 Sekunden. Die neue Methode hat ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen entwickelt.

Für die Infarktforschung ist es wichtig zu wissen, wie groß ein Infarkt unter definierten Bedingungen ist und wieviel Herzgewebe dabei abgestorben ist. Eine präzise Bestimmung der Infarktgröße ist unerlässlich, um neue herzschützende, kardioprotektive, Behandlungen zu entwickeln u. Dazu wird zunächst dem verstorbenen Schwein nach durchlebtem Herzinfarkt das Herz entnommen. Im Anschluss werden Herzschnitte angefertigt, digitale Bilder aufgenommen und schließlich von Hand ausgewertet. Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen um Prof. Petra Kleinbongard und Prof. Gerd Heusch hat in Zusammenarbeit mit Prof. Jakob Nikolas Kather von der TU Dresden nun eine schnelle und präzise KI-basierte Methode in " Basic Research in Cardiology " veröffentlicht. Ihr automatisiertes Verfahren beschleunigt die Messung: von etwa 90 Min. auf 20 Sek..
In dieser Studie wurden insgesamt 3.869 digitale Bilder von TTC-gefärbten Herzschnitten aus Schweinen verwendet, um ein Deep-Learning-Modell zur Infarktgrößenbestimmung zu trainieren und etablieren. Die Forschenden haben die Bilder digital vorverarbeitet, indem sie störende Hintergründe entfernt und das Bildformat angepasst haben.
Zunächst wurde an einem Teil der digitalen Herzschnitt-Bilder die Künstliche Intelligenz angelernt. Als Referenz für die Künstliche Intelligenzwurden von Hand die Infarktbereiche, die nicht-betroffenen Bereiche und andere relevante Regionen auf den Herzschnitt-Bildern eingezeichnet. Durch den Einsatz eines speziell trainierten Deep-Learning-Modells auf Basis der U-Net-Architektur konnte die Auswertungszeit pro Experiment von 90 Min. auf nur 20 Sek. reduziert werden. "Die Ergebnisse, die das Modell uns in einem unabhängigen Datenset liefert, stimmen bis zu 98% mit unseren manuellen Messungen an Schweineherzen überein", erklärt Prof. Petra Kleinbongard. Damit stellt die neue Methode eine objektive und zuverlässige Alternative zur herkömmlichen Infarktgrößenmessung dar, die auch in Forschungsverbünden eingesetzt werden kann. Die Technologie wurde bereits erfolgreich in verschiedenen Herzmodellen getestet und könnte die Forschung zur Kardioprotektion erheblich voranbringen.

aerzteblatt.de am 04.11.2024

Leitlinienentwurf: Schmerztherapie in der Geriatrie

Die Koordinatorinnen und Koordinatoren der für Anfang 2025 angekündigten S3-Leitlinie "Schmerzmanagement bei GERiatrischen PAtIeNt:innen" (GeriPAIN) stellten auf dem Deutschen Schmerzkongress erste konsentierte Empfehlungen zur Diskussion.

Zum Originalbeitrag

Ein hohes Lebensalter und die damit häufig einhergehenden Erkrankungen sind mit einer erhöhten Prävalenz sowohl von akuten als auch von chronifizierten Schmerzen behaftet ( 1). Besonders häufig sind dabei muskuloskelettale Schmerzen, aber auch Kopfschmerzen und neuropathische Schmerzen (Grafik 1). Schmerz erhöht wiederum das Risiko für Gebrechlichkeit und Hospitalisierung sowie den Pflegebedarf und die Mortalität.

Die schmerztherapeutische Versorgung betagter Menschen ist jedoch unzureichend systematisch untersucht. Die wenigen Studien, die es bislang dazu gibt, deuten auf eine eklatante Unterversorgung hin: so beispielsweise die vom GKV-Spitzenverband geförderte und von Forschenden der Charité durchgeführte Querschnittsuntersuchung ACHE (PAin Management in Older Adults ReCeiving Home CarE) ( 2). An der Berliner Studie nahmen 355 über ambulante Pflegedienste rekrutierte pflegebedürftige Personen mit chronischen Schmerzen teil. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 82 Jahren. 255 davon waren auskunftsfähig und wurden mithilfe des Fragebogens Brief Pain Inventory (BPI) zu ihrer Schmerzsymptomatik befragt. Die durchschnittliche in den letzten 24 Stunden von den Betroffenen erlebte Schmerzintensität betrug in dieser Subgruppe 5,3 (Standardabweichung [SD] ± 2,0) auf der numerischen Ratingskala (NRS; Bereich 0-10). Die stärkste in den letzten 24 Stunden wahrgenommene Schmerzintensität lag bei 7,0 (SD ± 2,0). Nur ein Viertel der Schmerzbetroffenen erreichte unter der Behandlung eine mehr als 70%ige Schmerzreduktion.

Schmerztherapie reicht oft nicht aus

Auch in stationären Pflegeeinrichtungen scheint die schmerztherapeutische Versorgung dem Bedarf nicht gerecht zu werden. Die europäische Querschnittsstudie SHELTER zeigte, dass ein Drittel der deutschen und ein Viertel der europäischen Pflegeheimbewohner und -bewohnerinnen mit mittelstarken bis starken Schmerzen keine Medikamente oder nur eine Bedarfsmedikation erhielten ( 3). Nur etwa 5 % erreichten die in internationalen Leitlinien empfohlenen Therapieintensitäten und nur 47 % erhielten eine nichtmedikamentöse Therapie.

Die Gründe für schmerztherapeutische Versorgungsdefizite bei älteren Menschen sind vielfältig. Eine Verbesserung der Situation ist nur möglich, wenn die an der Schmerzdiagnostik und -behandlung Beteiligten sich gut untereinander abstimmen und dabei eine Reihe altersbezogener Besonderheiten beachten. Unverzichtbar für eine adäquate Schmerzbehandlung sind beispielsweise die Berücksichtigung von:

Als Leitschnur für eine fachgerechte schmerztherapeutische Versorgung betagter Menschen, die dem stetig wachsenden Bedarf gerecht werden soll, entsteht derzeit unter der Federführung der Deutschen Schmerzgesellschaft und unter Beteiligung 33 weiterer Fachgesellschaften und Organisationen die S3-Leitlinie GeriPAIN und damit die erste deutschsprachige sektorenübergreifende Leitlinie zur Schmerzbehandlung im Alter ( 4).

Der Leitlinienprozess hat die Phase der Literatursuche und -bewertung bereits durchlaufen, und die Leitliniengruppe erarbeitet daraus nun nach und nach konsentierte Empfehlungen. Einige wurden am 17. Oktober 2024 auf dem Deutschen Schmerzkongress bereits vorgestellt und diskutiert. Eine vollständige Konsultationsfassung der GeriPAIN-Leitlinie wird ab Ende 2024 auf der Homepage der Deutschen Schmerzgesellschaft verfügbar sein. Die Fertigstellung der Leitlinie ist für Anfang 2025 geplant.

Prof. Dr. rer. medic. Erika Sirsch, MScN, RN, Professorin für Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Interprofessionalität, Institut für Didaktik in der Medizin Universität Duisburg-Essen und eine Leitlinienautorin, erklärte, man habe die 2017 erstellte und 2022 abgelaufene S3-Leitlinie "Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe" als Basis verwendet und Empfehlungen daraus aktualisiert ( 5). "Ziel dabei ist es, die Empfehlungen sektorenübergreifend und - wo möglich - evidenzbasiert zu formulieren", erläuterte die Expertin. Parallel zur Konsentierung der Empfehlungen werden, soweit dies auf Basis der Literatur möglich ist, Qualitätsindikatoren erarbeitet und mit den starken Empfehlungen der Leitlinie abgeglichen.

Herausforderung Demenz

"Eine erfolgreiche Schmerzbehandlung beginnt mit dem Screening und Assessment von Schmerzen", betonte Sirsch. Beim Screening gehe es zunächst einfach darum, zu erkennen, ob die betreffende Person Schmerzen hat. Das sei bei geriatrischen Patientinnen und Patienten keine Selbstverständlichkeit, beispielsweise wenn diese eine Demenz oder eine Bewusstseinsstörung hätten. Ein positiver Screeningbefund liege daher nicht nur bei erkannten, sondern auch bei vermuteten Schmerzen vor. Darauf folge dann das Schmerzassessment, das heißt, die Erfassung und Beschreibung möglicher Schmerzzeichen und -äußerungen sowie weitere Informationen zum Vorliegen von Schmerz. "Mögliche oder vorhandene Schmerzen werden dabei entsprechend des biopsychosozialen Modells erfasst", erklärte die Expertin. Das Schmerzassessment diene allen Beteiligten als Grundlage für Diagnosestellung und Interventionsplanung.

Interdisziplinär entscheiden

Sirsch stellte 7 bereits in der Leitliniengruppe konsentierte Empfehlungen vor, die mit dem stärksten Empfehlungsgrad, also als "Soll-Empfehlung" belegt wurden, und zudem 4 "Sollte-Empfehlungen" (Kasten GeriPAIN-Leitlinienentwurf). Bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen sei es unter anderem wichtig, ergänzend zur Selbst- auch eine Fremdeinschätzung einzuholen, egal, ob die betroffene Person im Pflegeheim untersucht werde oder in der Notaufnahme eines Krankenhauses eintreffe. "Auch wenn die 11-Punkte-NRS Standard zur Evaluation der Schmerzintensität ist: Viele geriatrische Patient:innen kommen damit nicht zurecht, und manche geben dann eine Antwort, die nicht der wirklich von ihnen empfundenen Schmerzintensität entspricht", warnte Sirsch. Der Gebrauch einer verständlichen Sprache gegebenenfalls mit Begriffen, die die betroffene Person selbst verwendet, etwa "Aua" oder "Weh", sei dann oft zielführend. Allerdings solle man dabei weiterhin in einem respektvollen Ton sprechen und nicht in eine "Babysprache" verfallen.

Die schmerztherapeutische Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten erfordert Dr. med. Corinna Drebenstedt, Chefärztin Geriatrie und Innere Medizin, St. Marienstift Friesoythe, Sprecherin des "Arbeitskreises Schmerz und Alter" der Deutschen Schmerzgesellschaft und Leitlinienautorin, zufolge eine enge Zusammenarbeit und klare Kommunikation unter den beteiligten Professionen, das heißt, Ärztinnen und Ärzten, Pflegenden, Apothekerinnen und Apothekern sowie weiteren Therapeutinnen und Therapeuten, etwa im Bereich der Physio-, Ergo- oder Psychotherapie. Daher habe die Leitliniengruppe einen eigenen Themenkomplex "Gemeinsame Entscheidungsfindung und die Aufrechterhaltung der Versorgungskontinuität" definiert und anhand der verfügbaren Datenlage Vorschläge zu entsprechenden Empfehlungen erarbeitet. Die Literaturrecherche führte zu 3 Übersichtsarbeiten ( 7, 8, 9). Eine davon analysierte mit einem gemischt qualitativen und quantitativen Ansatz 55 Primärstudien, die sich damit befassten, mit welchen Herausforderungen die pflegenden Familienangehörigen von schwer - meist an Krebs - erkrankten Personen konfrontiert sind ( 7). Die Studie identifizierte 4 Kategorien häufiger Herausforderungen (Kasten "Vier Problemfelder").

Krankheiten verarbeiten

Ein Review evaluierte anhand von 17 qualitativen Primärstudien die Krankheitsverarbeitungsstrategien älterer Menschen mit chronischen Schmerzen ( 8). Es wurden dabei 3 Hauptkategorien von Strategien identifiziert, mit der eigenen Schmerzerkrankung umzugehen. Die Verlässlichkeit der Beweislage (Confidence in the Evidence) hinsichtlich der Bedeutung der identifizierten Strategie wurde dabei jeweils unterschiedlich hoch eingeschätzt:

1. "Ich stelle mich auf das Unvermeidbare ein." (moderate Verlässlichkeit der Beweislage)

2. "Ich vermeide Medikamente und bewältige die Krankheit auf meine eigene Weise." (hohe Verlässlichkeit der Beweislage)

3. "Es ist wichtig, dass ich bei der Bewältigung Unterstützung erhalte." (moderate Verlässlichkeit der Beweislage)

Eine weitere qualitative Übersichtsarbeit schloss 33 Primärstudien zum Schmerzmanagement bei Demenz ein ( 9). Diese zeigte unter anderem, welch großen Einfluss Ängste vor Arzneimittelnebenwirkungen auf die Versorgung von Demenzbetroffenen mit Schmerzmitteln haben. Solche Ängste spielen dem Review zufolge nicht nur bei Familienangehörigen eine Rolle, sondern auch beim pflegerischen und ärztlichen Personal. Edukation und Kommunikation erwiesen sich als Faktoren, die dazu beitragen können, solche Befürchtungen zu überwinden.

Mehr Studien notwendig

Drebenstedt wies darauf hin, dass die Aussagekraft der bislang zu diesem Themenkomplex verfügbaren Studien sehr eingeschränkt sei und es dringend weiterer Forschung dazu bedürfe. Gleichwohl deuten die bisherigen Studien laut Leitliniengruppe darauf hin, dass nicht ausreichendes Wissen und fehlende Kommunikation die Qualität der schmerztherapeutischen Versorgung Älterer erheblich beeinträchtigen können.

Die Leitliniengruppe hat zu diesem Themenkomplex erste Empfehlungen erarbeitet, deren Konsentierung bei Redaktionsschluss noch ausstand:

Die Leitliniengruppe schlägt zudem im Interesse der Versorgungskontinuität vor, dass alle Gesundheitsprofis, die an der Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten beteiligt sind, regelmäßige Schulungen zum Schmerzmanagement erhalten sollen (LoE 2).

Kontrovers ist, ob und wenn ja, in welchem Rahmen ein Medikamentenreview sinnvoll ist, das heißt eine Überprüfung der aktuellen Medikation, unter anderem hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen, Kontraindikationen oder rational nicht zu begründender Verordnungen. Seit Juni 2022 dürfen Apotheken eine "erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation" als einmal jährliche, mit 90 Euro vergütete Kassenleistung anbieten. Zum einen wird diese Leistung bislang wenig genutzt, zum anderen dürfe man, so Drebenstedt, die Patientinnen und Patienten nicht überfordern, indem man ihnen ohne nähere Erläuterung einen Zettel mit einer Vielzahl von Warnungen in die Hand drücke und sie mit diesen Informationen alleine lasse.

Medikamente überprüfen

Die Leitlinienkommission schlägt nun auf Basis der aktuellen Datenlage und einem LoE 2 eine mittelstarke - ebenfalls noch nicht konsentierte - Empfehlung pro Medikamentenreviews vor: "Ein Medikamentenreview zwischen der/dem verschreibenden Ärztin/Arzt und weiteren Professionen oder Disziplinen sollten durchgeführt werden, um die Angemessenheit der medikamentösen Intervention zu prüfen." Dr. med. Stephan Fuchs, Hausarzt in Könnern, Sachsen-Anhalt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeinmedizin der Universität Halle-Wittenberg, der als Mandatsträger der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) an GeriPAIN mitarbeitet, vertritt die Meinung, das Medikamentenreview gehöre federführend in die Hand des Hausarztes oder der Hausärztin. Um zu gewährleisten, dass die Maßnahme auch in der Praxis umgesetzt werde, müsse man aber zunächst einmal für eine angemessene Vergütung einer solchen hausärztlichen Leistung sorgen.

Um Interventionen gut aufeinander abzustimmen, ist nach Drebenstedts Einschätzung eine koordinierende Instanz notwendig. Das müsse nicht zwingend der Hausarzt oder die Hausärztin sein. Das könne beispielsweise auch die begleitende Pflegefachperson sein oder der Physiotherapeut, wenn diese schmerztherapeutisch ausreichend kompetent seien.

"Im Bereich der medikamentösen Schmerztherapie geriatrischer Patienten fehlt es an qualitativ hochwertigen Publikationen," sagte Fuchs. Ein Grundproblem sei, dass geriatrische Patientinnen und Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen regelhaft aus kontrollierten Studien ausgeschlossen werden. Letztlich sei es schwierig, aus der Literatur und den einschlägigen Quellleitlinien konkrete Empfehlungen für ältere Menschen abzuleiten. Die Leitliniengruppe erwägt beispielsweise noch, ob man auf Basis der Literatur eine bevorzugte Verwendung von Paracetamol empfehlen soll oder ob man den Grundsatz "start low, go slow" als besonders wichtig in der medikamentösen Therapie älterer Menschen kennzeichnet. "Wenn wir mit den Patienten gut kommunizieren, spart das eine Menge Medikamente ein, wie Benzodiazepine oder Opiate", ergänzte Fuchs. Im Bereich der nichtmedikamentösen Schmerzbehandlung sei die Wirksamkeit für körperliche Aktivität in einem eingegrenzten Indikationsgebiet, unter anderem bei muskuloskelettalen Schmerzen, am besten belegt (Grafik 2). Für einige Verfahren, etwa für musikbasierte Interventionen, gäbe es zwar ganz passable Wirksamkeitsbelege, es fehle aber an den entsprechenden Angeboten für ältere Schmerzpatientinnen und -patienten. ■

* nach Oxford Centre for Evidence-Based Medicine 2011 Levels of Evidence ( 10), Bereich von LoE 1 (sehr gut durch kontrollierte Studien belegt) bis 5 (mechanismusbasiert)

GeriPAIN-Leitlinienentwurf

Erste konsentierte Empfehlungen zu Screening, Assessment und Diagnostik

Soll-Empfehlungen (stärkster Empfehlungsgrad)

Sollte-Empfehlungen (mittelstarker Empfehlungsgrad)

Mod. nach ( 6)

Vier Problemfelder

1. Probleme seitens der pflegenden Angehörigen, unter anderem:

2. Begrenztes Wissen der pflegenden Angehörigen, zum Beispiel über:

3. Herausforderungen in der Kommunikation mit Gesundheitsprofis, zum Beispiel:

4. Probleme seitens der pflegebedürftigen Person

Mod. nach ( 7)

Geisteswissenschaften / Gesellschaftswissenschaften / Politikwissenschaften / Bildungswissenschaften

mittelhessen.de am 04.11.2024

"Korte & Rink" zur Lage der Ampel: Die Hütte brennt nicht

Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sieht das Thesenpapier von FDP-Finanzminister Lindner nicht als Scheidungspapier in der Koalition, sondern als Mobilisierungsversuch.

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Berlin. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf sieht in dem kürzlich veröffentlichten 18-seitigen Thesenpapier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) keinen Hinweis auf ein nahes Ende der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Es handele sich, anders als von vielen politischen Beobachtern behauptet, "nicht um eine Scheidungsurkunde". Die SPD-Ko-Vorsitzende Saskia Esken hatte am Wochenende zum Zustand der Koalition gesagt: "Es brennt derzeit die Hütte." Sie reagierte damit auf Forderungen des FDP-Finanzministers nach einem grundlegenden Kurswechsel in der Ampel-Regierung.

Korte: Es geht der FDP darum, Themen zu testen

Korte interpretierte im Gespräch mit VRM-Chefredakteur Dennis Rink das Lindner-Papier als "Mobilisierungsversuch für die FDP-Anhänger". Es richte sich "an alle Gelben, damit das Gelbfieber wieder ausbricht", sagte der Politikwissenschaftlicher in der aktuellen Folge des VRM-Podcasts "Korte & Rink". Es gehe der FDP darum, mit Blick auf den bald beginnenden Bundestagswahlkampf "Themen zu testen". Auch den direkten Weg in die Öffentlichkeit zu wählen, sei laut Korte die bekannte Dramaturgie: Das spitze die Thematik zu und werte die FDP in den Augen ihrer Anhänger in der Koalition auf. "Das sind Rituale, die wir kennen", meinte Korte.

Hier geht es direkt zur aktuellen Folge Korte & Rink:

Beim Fortbestand der Koalition drehe sich alles um den Bundeshaushalt, der in den kommenden Wochen verabschiedet werden muss. "Jeder Koalitionspartner positioniert sich bei der Suche nach den noch fehlenden Milliarden öffentlich. Das führt zu einer gefühlten Eskalation, ohne dass es eine Konfliktlösungsstrategie gibt." Korte sagte, er sei sich sicher, dass die fehlenden 13 Milliarden "irgendwoher kommen." Er glaube nicht, dass Lindner als "weglaufender Parteivorsitzender" in die Geschichte eingehen wolle. Trotz der Streitereien in der Koalition habe diese etwa 70 Prozent ihrer Vorhaben abgearbeitet. Dies werde der Öffentlichkeit aber nicht kommuniziert, betonte Korte.

Das "aggressive Schweigen" des Kanzlers

Kritisch setzte sich der Politikwissenschaftler mit der Kommunikationsstrategie von Bundeskanzler Olaf Scholz auseinander. Er sprach von "Erzählgeiz" und "aggressivem Schweigen" - beides sei für die Koalitionspartner schwierig und werde von vielen Wählern als Arroganz verstanden. Korte betonte die Notwendigkeit moderner Kooperations-, Führungs- und Kommunikationsansätze, um eine integrative statt destruktive Zusammenarbeit in der Koalition zu ermöglichen. Nur so hätten die Ampel-Parteien noch eine Chance bei den Wählern. In Richtung FDP meinte Korte: "Die Rolle als Opposition in der Regierung honorieren Wähler in Deutschland nicht." Mit "rebellischen Gelben" seien auch Mehrheiten jenseits von SPD und Grünen schwer vorstellbar.

Korte glaubt zwar nicht an ein baldiges Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition. Einen echten Neustart traut er ihr jedoch nicht mehr zu. Dabei sehnten sich die Menschen nach einem positiven Signal. Ein solches könne auch zu einem Stimmungswandel in der Wirtschaft beitragen.

Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte und VRM-Chefredakteur Dennis Rink sprechen in ihrem Podcast jeweils dienstags über Politik in Deutschland, Rheinland-Pfalz und Hessen. Alle Folgen von "Korte & Rink" können bei " " abonniert werden, ebenso auf " ", " " und " ".

Wiesbadener Kurier, Wiesbaden (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 2

Kommentare: Ampel-Streit: Regierungsarbeit ist keine Reality-Show

Politik ist kein Spiel. Politik ist kein Theater. Politik ist kein Zeitvertreib. Politik ist kein Ego-Hobby für die Volksvertreter. Die Akteure der Ampelregierung treten die Verantwortung mit Füßen, die ihnen übertragen worden ist - und bestärken Demokratie-Feinde gleichermaßen wie Nicht-Wähler. In "Regierungsverantwortung" steckt deutlich das Wort "Verantwortung". Führende Politikwissenschaftler wie etwa Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte blicken recht gelassen auf das Schauspiel in Berlin. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sei halt nicht der große Kommunikator. Christian Lindner wolle halt seinen provokanten Auftritt gehabt haben und müsse in Doppelfunktion als Minister und Parteichef auch seiner Partei etwas bieten. Am Ende des Tages wolle in Wirklichkeit niemand das Ampel-Aus, denn Neuwahlen würden niemandem der drei Regierungspartner helfen.

Doch die Regierungsarbeit für Deutschland darf nicht zu einer kalkulierten Show werden, die von Experten durchblickt wird, aber beim Bürger zu einem "Die da oben machen, was sie wollen"-Gefühl führt. Die Wähler entscheiden in einer Demokratie, wem sie für die nähere Zukunft vertrauen. Auf der Basis entstehen Koalitionen. Und dann beginnt die seriöse Regierungsarbeit. So sollte es sein. Oder aber man formuliert als Finanzminister einfach mal so ein Grundsatzpapier, in dem man eine Abkehr vom bisherigen Kurs fordert. Was sich Lindner erlaubt, dürfte sich kein Arbeitnehmer in Deutschland einfach so erlauben. 2017 hatte er mal den berühmten Satz gesagt: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren." Vielleicht sollte er sich daran erinnern, auch wenn er ihn damals anders gemeint hat.

Es ist aber nicht der FDP-Chef allein, der scheinbar vergisst, dass im Regierungsviertel keine Reality-Show mit Unterhaltungsfaktor gedreht wird. Dass eine Bundesregierung zwei Wirtschaftsgipfel parallel organisiert, ist schon absurd. Dass auch Kanzler Scholz zu "seinem" Gipfel mit der Wirtschaft den Wirtschaftsminister nicht einlädt, hat Vertrauen zerstört. Und wenn aus dem Umfeld der Grünen ertönt, man sei bereit, mit den Ampelpartnern über alles zu sprechen, sei gesagt: Das ist keine Leistung, das ist eine Selbstverständlichkeit. Und das Schlimmste an der ganzen Nummer: Der aktuelle Ampel-Ego-Trip verdrängt die inhaltliche Arbeit. Noch in dieser Woche müssen sich die drei Parteien einig werden: Klarer Bruch, weil nichts mehr geht. Oder Einigung - und dann seriöse Arbeit auf der Zielgeraden. Deutschland braucht eine ernsthaft arbeitende Bundesregierung.

Alle weiteren Quellen: Allgemeine Zeitung Alzey • Allgemeine Zeitung Mainz-Rheinhessen • Allgemeine Zeitung Online • Allgemeine Zeitung Rheinhessen-Nahe • Bürstädter Zeitung • Bürstädter Zeitung Online • Darmstädter Echo • Dieburger Anzeiger • Dill-Zeitung • Echo Online • Groß-Gerauer Echo • Herborner Tageblatt • Hinterländer Anzeiger • Hochheimer Zeitung Online • Lampertheimer Zeitung • Lampertheimer Zeitung Online • Main-Spitze • Main-Spitze Online • mittelhessen.de • Nassauische Neue Presse • Odenwälder Echo • Rüsselsheimer Echo • Starkenburger Echo • Weilburger Tageblatt • Wetzlarer Neue Zeitung • Wiesbadener Kurier - Rheingau-Kurier • Wiesbadener Kurier - Untertaunus-Kurier / Aar-Bote • Wiesbadener Kurier Online • Wormser Zeitung • Wormser Zeitung Online

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NRZ Neue Ruhr Zeitung, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 18

Zwischen Ernst und Entertainment

Trump oder Harris? Will Wright ist einer der 1300 US-Amerikaner in Essen, die wählen dürfen

Von Wolfgang Kintscher

Rot oder Blau? Donald Trump oder Kamala Harris? Ein republikanischer US-Präsident oder eine demokratische Präsidentin? An diesem Dienstagabend gilt‘s, aber wer sich Will Wright vorstellt, wie er da mit einer Batterie von Hotdogs und Cola, Donuts und eimerweise Popcorn vor dem Fernseher Platz nimmt und sich die Nacht um die Ohren schlägt, ist schief gewickelt. "Nicht zielführend", sagt der 33-jährige US-Amerikaner augenzwinkernd. Er wird schlafen gehen und als Frühaufsteher am Mittwochmorgen die Glotze einschalten, CNN oder die anderen, das ist früh genug. Vielleicht gibt‘s dann ein Ergebnis.

Oder auch nicht. So ist das bei einer Wahl in einem Land, das so groß ist wie die Vereinigten Staaten und so vielfältig, auch was die Wahlkonditionen in den verschiedenen Bundesstaaten angeht. Natürlich hat auch er vor ein paar Tagen seine Stimme abgegeben, sie ging an seinen Heimatstaat Ohio, wo er in der 40.000-Einwohner-Stadt Delaware aufwuchs. Seit 2016 ein eher republikanischer Bundesstaat, rot also. "Ich weiß, dass es wahrscheinlich nichts nützt." Trotzdem.

Er wird bei dieser Wahl, die vielleicht so knapp ausfallen wird wie noch keine zuvor, nicht der Einzige gewesen sein, der als Wähler "abroad", sprich: im Ausland, sein Votum abgibt. Immerhin rund 1300 Menschen haben allein in Essen einen US-amerikanischen Pass, 800 von ihnen sind – Stand 30. September – Doppelstaatler. Eine Bevölkerungsgruppe, die in der Stadt so groß ist wie etwa die der Ungarn oder der Portugiesen.

Begeistert vom Interesseder Deutschen an der US-Wahl

Aber keines dieser Länder erfreut sich auch nur annähernd ähnlichen Interesses. Will Wright ist buchstäblich begeistert, wie viele Deutsche sich hier ernsthaft und vertieft mit der US-Wahl und den Vereinigten Staaten an sich befassen: Eine Heimat, die er vor zehn Jahren hinter sich ließ, um in Deutschland, Belgien und Irland zu wohnen. Heute lebt er mit seiner Familie in Essen-Schönebeck, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ruhr-Universität Bochum am dortigen Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht.

Was er über die deutsche Sicht auf die USA denkt? "Im Großen und Ganzen liegt Ihr richtig", meint Wright – erstaunt über das vielerorts vorhandene detaillierte Verständnis dessen, was da auf der anderen Seite des großen Teiches vonstatten geht. Manche Sorgen, was die politische Spaltung seines Heimatlandes angeht, teilt er voll und ganz. "Das ist nicht nur die Schuld der Politik, es ist auch die Schuld der Medien." Bei anderen empfiehlt er, nicht alles für bare Münze zu nehmen. Es sei eben "ein bisschen Entertainment dabei." Tatsächlich machen die Deutschen "das mit den Fähnchen" in überschaubarem Ausmaß, und ein Vorredner, der den Kanzlerkandidaten preist und dabei im kalkulierten Überschwang sein T-Shirt zerreißt, hat man bei SPD oder CDU auch noch nicht gesehen. "Sehr diplomatisch, sehr zurückhaltend", sei die deutsche Politik, sagt Wright: "Es eskaliert nicht."

In den USA fürchten viele das Gegenteil. "Erstmals in der globalen Erfolgsgeschichte westlicher Demokratien ist dies eine Wahl, bei der es um die Zukunft demokratischer Prozesse gehen wird", betont Barbara Buchenau von der Uni Duisburg-Essen. Sie arbeitet dort als Professorin für Nordamerikanische Kulturstudien, und ihr schwant: "Dieses Mal wird weniger gefiebert als gebibbert: Die Androhung von Gewalt liegt in der Luft, selbst der Einsatz des Militärs ist von Donald Trump ins Spiel gebracht." Zugleich glaubten einfach zu viele Menschen, auf eine gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen verzichten zu können. "Darin", so Buchenau, "liegt auch für die weiteren nationalen Wahlen etwa in Deutschland die enorme Brisanz der anstehenden Wahl. Wie geht sie aus und wird der Ausgang akzeptiert"?

Vielleicht hängt das auch mit dem Umstand zusammen, dass es vor allem eine zugespitzte Persönlichkeitswahl ist, es geht um Sympathie, um Emotionen, die bedient werden oder eben nicht: "George W. Bush war 2000 der Kandidat, mit dem jeder ein Bier trinken gehen wollte", sagt Will Wright, "Al Gore galt als zu politisch, zu langweilig, als nicht charismatisch genug". Wo die Unterschiede nicht offensichtlich sind, wird nachgeholfen, mit "Negative Campaigning", also einer Form politischen Marketings, bei dem versucht wird, die Konkurrenz in ein schlechtes Licht zu rücken.

Mit Folgen für eine aufgeheizte Stimmung, die den Wissenschaftler Will Wright auch beruflich interessieren: Wird es am Ende Gewalt geben? Von denjenigen, die ein knappes Ergebnis nicht akzeptieren mögen? Und überhaupt: Wer hat die Nase vorn? Da hält sich der junge Familienvater lieber zurück: 2016 habe er prophezeit, dass Donald Trump auf keinen Fall die Präsidenten-Wahl gewinnen werde. "Vier Jahre lang musste ich mir das vorhalten lassen."

Kein Tipp also diesmal. Nur der Hinweis auf ein Zitat von Winston Churchill: "Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun – nachdem sie alles andere ausprobiert haben."

Man kann sich immer darauf verlassen,dass die Amerikanerdas Richtige tun – nachdem sie alles andere ausprobiert haben.
Will Wright, der seine US-Heimatvor zehn Jahren verließ und heute in Essen-Schönebeck wohnt, zitiert Winston Churchill.

WAZ Online am 04.11.2024

Trump oder Harris? In Essen fiebern 1300 US-Amerikaner mit

Aber nicht nur sie: Will Wright und Professorin Barbara Buchenau, zwei Essener blicken auf eine US-Wahl zwischen Politik, Sorgen und Entertainment.

Zum Originalbeitrag

Essen.

Rot oder Blau? Donald Trump oder Kamala Harris? Ein republikanischer US-Präsident oder eine demokratische Präsidentin? An diesem Dienstagabend gilt's, aber wer sich Will Wright vorstellt, wie er da mit einer Batterie von Hotdogs und Cola, Donuts und eimerweise Popcorn vor dem Fernseher Platz nimmt und sich die Nacht um die Ohren schlägt, ist schief gewickelt. "Nicht zielführend", sagt der 33-jährige US-Amerikaner augenzwinkernd. Er wird schlafen gehen und als Frühaufsteher am Mittwochmorgen die Glotze einschalten, CNN oder die anderen, das ist früh genug. Vielleicht gibt's dann ein Ergebnis.

Oder auch nicht. So ist das bei einer Wahl in einem Land, das so groß ist wie die Vereinigten Staaten und so vielfältig, auch was die Wahlkonditionen in den verschiedenen Bundesstaaten angeht. Natürlich hat auch er vor ein paar Tagen seine Stimme abgegeben, sie ging an seinen Heimatstaat Ohio, wo er in der 40.000-Einwohner-Stadt Delaware aufwuchs. Seit 2016 ein eher republikanischer Bundesstaat, rot also. "Ich weiß, dass es wahrscheinlich nichts nützt." Trotzdem.

Er wird bei dieser Wahl, die so knapp ausfallen dürfte wie noch keine zuvor, nicht der einzige gewesen sein, der als Wähler "abroad", sprich: im Ausland, sein Votum abgibt. Immerhin rund 1300 Menschen haben allein in Essen einen US-amerikanischemn Pass, 800 von ihnen sind - Stand 30. September - Doppelstaatler. Eine Bevölkerungsgruppe, die in der Stadt so groß ist wie etwa die der Ungarn oder der Portugiesen.

Aber keines dieser Länder erfreut sich auch nur annähernd ähnlichen Interesses. Will Wright ist buchstäblich begeistert, wie viele Deutsche sich hier ernsthaft und vertieft mit der US-Wahl und den Vereinigten Staaten an sich befassen: Eine Heimat, die er vor zehn Jahren hinter sich ließ, um in Deutschland, Belgien und Irland zu wohnen. Heute lebt er mit seiner Familie in Essen-Schönebeck, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ruhr-Universität Bochum am dortigen Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht.

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Was er über die deutsche Sicht auf die USA denkt? "Im Großen und Ganzen liegt Ihr richtig", meint Wright - erstaunt über das vielerorts vorhandene detaillierte Verständnis dessen, was da auf der anderen Seite des großen Teiches vonstatten geht. Manche Sorgen, was die politische Spaltung seines Heimatlandes angeht, teilt er voll und ganz, "Das ist nicht nur die Schuld der Politik, es ist auch die Schuld der Medien." Bei anderen empfiehlt er, nicht alles für bare Münze zu nehmen.

Es sei eben "ein bisschen Entertainment dabei." Tatsächlich machen die Deutschen "das mit den Fähnchen" in überschaubarem Ausmaß, und ein Vorredner, der den Kanzlerkanidaten preist und dabei im kalkulierten Überschwang sein T-Shirt zerreißt, hat man bei SPD oder CDU auch noch nicht gesehen. "Sehr diplomatisch, sehr zurückhaltend", sei die deutsche Politik, sagt Wright: "Es eskaliert nicht."

In den USA fürchten viele das Gegenteil. "Erstmals in der globalen Erfolgsgeschichte westlicher Demokratien ist dies eine Wahl, bei der es um die Zukunft demokratischer Prozesse gehen wird", betont Barbara Buchenau von der Uni Duisburg-Essen. Sie arbeitet dort als Professorin für Nordamerikanische Kulturstudien, und ihr schwant: "Dieses Mal wird weniger gefiebert als gebibbert: Die Androhung von Gewalt liegt in der Luft, selbst der Einsatz des Militärs ist von Donald Trump ins Spiel gebracht." Zugleich glaubten einfach zu viele Menschen, auf eine gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen verzichten zu können. "Darin", so Buchenau, "liegt auch für die weiteren nationalen Wahlen etwa in Deutschland die enorme Brisanz der anstehenden Wahl. Wie geht sie aus und wird der Ausgang akzeptiert"?

Vielleicht hängt das auch mit dem Umstand zusammen, dass es vor allem eine zugespitzte Persönlichkeits-Wahl ist, es geht um Sympathie, um Emotionen, die bedient werden oder eben nicht: "George W. Bush war 2000 der Kandidat, mit dem jeder ein Bier trinken gehen wollte", sagt Will Wright, "Al Gore galt als zu politisch, zu langweilig, als nicht charismatisch genug". Wo die Unterschiede nicht offensichtlich sind, wird nachgeholfen, mit "Negative Campaigning", also einer Form politischen Marketings, bei dem versucht wird, die Konkurrenz in ein schlechtes Licht zu rücken.

Mit Folgen für eine aufgeheizte Stimmung, die den Wissenschaftler Will Wright auch beruflich interessieren: Wird es am Ende Gewalt geben? Von denjenigen, die ein knappes Ergebnis nicht akzeptieren mögen? Und überhaupt: Wer hat die Nase vorn? Da hält sich der junge Familienvater lieber zurück: 2016 habe er prophezeit, dass Donald Trump auf keinen Fall die Präsidenten-Wahl gewinnen werde. "Vier Jahre lang musste ich mir das vorhalten lassen." Kein Tipp also. Nur der Hinweis auf ein Zitat von Winston Churchill: "Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun - nachdem sie alles andere ausprobiert haben."

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Radio Essen Online am 04.11.2024

Uni Duisburg/Essen: Mercator-Professorin 2024 kommt zu uns

Eine preisgekrönte Publizistin wird in diesem Jahr Mercator-Professorin. Ihr Vortrag findet am 27. November in der Universität Duisburg/Essen statt.

Zum Originalbeitrag

Renommierte Professorin kommt an die Universität Duisburg-Essen

Dr. Carolin Emcke wird 2024 Mercator-Professorin an der Universität Duisburg-Essen. Die Autorin und Philosophin erhält diese Auszeichnung vor allem für ihr Engagement in wichtigen gesellschaftlichen Themen wie Gewalt, Rassismus und soziale Gerechtigkeit. Emcke wurde bereits mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Theodor Wolff-Preis geehrt. Mit ihrer neuen Rolle möchte sie die Idee von Weltoffenheit und anregenden Diskussionen zu aktuellen Fragen stärken. Ihren Start als Professorin beginnt Dr. Carolin Emcke mit einem Vortrag am 27. November an der Universität Duisburg-Essen zum Thema: "Wessen Leid, wessen Erinnerung?".

Was ist die Mercator-Professur?

Die Mercator-Professur ist eine besondere Auszeichnung für Wissenschaftler, die von der Mercator-Stiftung vergeben wird. Sie bringt seit 1997 herausragende Forscher nach Deutschland, um an Universitäten zu lehren und zu forschen. Ziel ist es, wichtige gesellschaftliche Themen zu diskutieren und internationale Zusammenarbeit zu fördern. Die Mercator-Professur wurde von vielen bedeutenden Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen getragen. Zu den bekanntesten gehören: Joachim Gauck, ehemaliger Bundespräsident, Hans-Dietrich Genscher, ehemaliger Bundesaußenminister und Alice Schwarzer, eine bekannte Frauenrechtlerin und Publizistin.

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NZ Nordbayerische Zeitung, Neumarkt Stadt und Land (HNM) (Tageszeitung) vom 29.10.2024, S. 4

Partnersuche nach Wahldebakel

Partnersuche nach Wahldebakel Japan |Unter Druck: Regierungschef Shigeru Ishiba lotet Möglichkeiten aus, an der Macht bleiben zu können. VON LARS NICOLAYSEN (DPA) TOKIO - Japans konservativer Ministerpräsident Shigeru Ishiba kämpft nach dem Verlust der Mehrheit seiner Regierungskoalition bei der Wahl zum Unterhaus des Parlaments um den Machterhalt. „Die nationale Politik darf nicht einen Moment lang stagnieren“, sagte der 67-Jährige. Seine Liberaldemokratische Partei LDP begann im Vorfeld einer Sondersitzung des Parlaments zur Wahl des nächsten Ministerpräsidenten Gespräche mit möglichen Partnern aus dem Oppositionslager. Trotz starker Zugewinne der größten Oppositionspartei, der Konstitutionellen Demokratischen Partei Japans des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, rechnen politische Beobachter zumindest vorerst mit keinem Regierungswechsel.

Die Regierungskoalition aus LDP und ihrem Juniorpartner Komeito stürzte bei der Unterhauswahl von 288 Sitze auf 215 der insgesamt 465 Sitze zählenden Kammer ab. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass die Koalition keine Mehrheit mehr im Unterhaus hat. Hauptgrund für das Wahldebakel war die Wut der Wählerinnen und Wähler über einen Parteispendenskandal der LDP. Die Partei regiert das mit Deutschland zur G7 gehörende Land seit Jahrzehnten fast ununterbrochen.

Der Erfolg von Nodas Oppositionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, Der japanische Ministerpräsident Shigeru Ishiba. Foto: kyodo/dpa sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, der Deutschen Presse-Agentur. Dies könne sich schon im nächsten Jahr bei der Wahl zum Oberhaus auszahlen, sagte der Japan-Experte. Diesmal sei ein Regierungswechsel jedoch noch nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte die LDP von Regierungschef Ishiba versuchen, die oppositionelle konservative Demokratische Partei für das Volk mit an Bord zu holen. Die konnte ihre Sitzzahl auf 28 vervierfachen. Mit ihr käme das Koalitionslager wieder auf eine Mehrheit im Unterhaus.

Ishiba hatte erst am 1. Oktober die Nachfolge von Fumio Kishida angetreten. Nur acht Tage später löste Ishiba das Unterhaus in der Hoffnung auf, sich bei den Neuwahlen am Sonntag das Mandat der Wähler zu sichern. Der Politikveteran hat sich jedoch verrechnet. Der Chef für Wahlstrategie der LDP, Shinjiro Koizumi, übernahm die Verantwortung und trat zurück.

Das Parlament muss nun innerhalb von 30 Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um dann beide Kammern über den künftigen Ministerpräsidenten abstimmen zu lassen. Ishiba habe ursprünglich erwogen, die Sondersitzung am 7. November einzuberufen, werde sich aber wahrscheinlich mehr Zeit für die Bildung einer Mehrheit nehmen, meldeten Medien. Sollte Ishiba gewählt werden, würde er ein neues Kabinett bilden. Sollte das Parlament jedoch einen neuen Regierungschef wählen, wäre Ishibas Amtszeit die kürzeste der japanischen Nachkriegszeit, wie japanische Medien am Tag nach der Wahl festhielten. Sollte bei der Abstimmung über den Ministerpräsidenten niemand die Mehrheit erreichen, könnte es auf eine Stichwahl zwischen Ishiba und Noda von der oppositionellen Konstitutionellen Demokratischen Partei Japans hinauslaufen. Auch Noda will mit anderen Parteien im zersplitterten Oppositionslager sprechen. Er gilt als liberaler Konservativer. Noda sprach von einem „bedeutenden Erfolg“ seiner Partei, die Sitzmehrheit der Regierungskoalition zu verringern. Dies sei „erst der Anfang“.

Alle weiteren Quellen: Hersbrucker Zeitung • NZ Nordbayerische Zeitung, Aus Nürnberg-Land (DB) • NZ Nordbayerische Zeitung, Forchheim (HFO) • NZ Nordbayerische Zeitung, Fürth Stadt und Land (HFG) • NZ Nordbayerische Zeitung, Gunzenhausen/Fränkisches Seenland (HAB) • NZ Nordbayerische Zeitung, Hersbrucker Zeitung • NZ Nordbayerische Zeitung, Pegnitz Zeitung • NZ Nordbayerische Zeitung, Roth Stadt und Land (HRV) • NZ Nordbayerische Zeitung, Schwabach Stadt und Land (HST) • NZ Nordbayerische Zeitung, Stadt Erlangen (HEN) • NZ Nordbayerische Zeitung, Weissenburg und Umgebung • Treuchtlinger Kurier • Weißenburger Tagblatt

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Rhein-Sieg-Anzeiger (Tageszeitung) vom 29.10.2024, S. 2

Japans Premier kämpft um seine Macht

Japans Premier kämpft um seine Macht Konservative Regierungspartei LDP verliert wegen eines Spendenskandals bei der Parlamentswahl Mehrheit im Unterhaus VON LARS NICOLAYSEN Tokio. Japans konservativer Ministerpräsident Shigeru Ishiba kämpft um den Machterhalt: Bei der Wahl zum Unterhaus des Parlaments hat seine Regierungskoalition die Mehrheit verloren. „Die nationale Politik darf nicht einen Moment lang stagnieren“, sagte der 67-Jährige. Seine Liberaldemokratische Partei LDP begann im Vorfeld einer Sondersitzung des Parlaments zur Wahl des nächsten Ministerpräsidenten Gespräche mit möglichen Partnern aus dem Oppositionslager. Trotz starker Zugewinne der größten Oppositionspartei, der Konstitutionellen Demokratischen Partei Japans des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, rechnen politische Beobachter zumindest vorerst mit keinem Regierungswechsel.

Die Regierungskoalition aus LDP und ihrem Juniorpartner Komeito stürzte bei der Unterhauswahl von 288 Sitze auf 215 der insgesamt 465 Sitze zählenden Kammer ab. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass die Koalition keine Mehrheit mehr im Unterhaus hat.

Hauptgrund für das Wahldebakel war die Wut der Wählerinnen und Wähler über einen Parteispendenskandal der LDP. Die Partei regiert das mit Deutschland zur G7 gehörende Land seit Jahrzehnten fast ununterbrochen.

Der Erfolg von Nodas Oppositionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Dies könne sich schon im nächsten Jahr bei der Wahl zum Oberhaus auszahlen, sagte der Japan-Experte. " Die nationale Politik darf nicht einen Moment lang stagnieren Shigeru Ishiba Ministerpräsident in Japan Diesmal sei ein Regierungswechsel jedoch noch nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte die LDP von Regierungschef Ishiba versuchen, die oppositionelle konservative Demokratische Partei für das Volk mit an Bord zu holen. Die konnte ihre Sitzzahl auf 28 vervierfachen. Mit ihr käme das Koalitionslager wieder auf eine Mehrheit im Unterhaus. Ishiba hatte erst am 1. Oktober die Nachfolge von Fumio Kishida angetreten. Nur acht Tage später löste Ishiba das Unterhaus in der Hoffnung auf, sich bei den Neuwahlen am Sonntag das Mandat der Wähler zu sichern. Der Politikveteran hat sich jedoch verrechnet. Der Chef für Wahlstrategie der LDP, Shinjiro Koizumi, übernahm die Verantwortung und trat zurück. Das Parlament muss nun innerhalb von 30 Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um dann beide Kammern über den künftigen Ministerpräsidenten abstimmen zu lassen. Schwere Niederlage: Japans Regierungschef Shigeru Ishiba hat die Mehrheit im Unterhaus verloren. Foto: Kim Kyung-Hoon/Getty

Böhme Zeitung (Tageszeitung) vom 29.10.2024, S. 19

Japans Premier kämpft um seine Macht

Japans Premier kämpft um seine Macht Regierungspartei verliert wegen eines Spendenskandals Unterhaus-Mehrheit VON LARS NICOLAYSEN Tokio. Japans konservativer Ministerpräsident Shigeru Ishiba kämpft um den Machterhalt: Bei der Wahl zum Unterhaus des Parlaments hat seine Regierungskoalition die Mehrheit verloren. „Die nationale Politik darf nicht einen Moment lang stagnieren“, sagte der 67-Jährige. Seine Liberaldemokratische Partei LDP begann im Vorfeld einer Sondersitzung des Parlaments zur Wahl des nächsten Ministerpräsidenten Gespräche mit möglichen Partnern aus dem Oppositionslager. Trotz starker Zugewinne der größten Oppositionspartei, der Konstitutionellen Demokratischen Partei Japans des früheren Ministerpräsidenten Yoshihiko Noda, rechnen politische Beobachter zumindest vorerst mit keinem Regierungswechsel.

Die Regierungskoalition aus LDP und ihrem Juniorpartner Komeito stürzte bei der Unterhauswahl von 288 Sitze auf 215 der insgesamt 465 Sitze zählenden Kammer ab. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass die Koalition keine Mehrheit mehr im Unterhaus hat.

Hauptgrund für das Wahldebakel war die Wut der Wählerinnen und Wähler über einen Parteispendenskandal der LDP. Die Partei regiert das mit Deutschland zur G7 gehörende Land seit Jahrzehnten fast ununterbrochen. Der Erfolg von Nodas Opposi-Schwere Niederlage: Japans Regierungschef Shigeru Ishiba hat die Mehrheit im Unterhaus verloren. Foto: Kim Kyung-Hoon/Getty tionspartei zeige dem Wahlvolk, dass es jetzt eine Alternative zur LDP gebe, sagte Axel Klein, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Dies könne sich schon im nächsten Jahr bei der Wahl zum Oberhaus auszahlen, sagte der Japan-Experte. Diesmal sei ein Regierungswechsel jedoch noch nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte die LDP von Regierungschef Ishiba versuchen, die oppositionelle konservative Demokratische Partei für das Volk mit an Bord zu holen. Die konnte ihre Sitzzahl auf 28 vervierfachen. Mit ihr käme das Koalitionslager wieder auf eine Mehrheit im Unterhaus. Ishiba hatte erst am 1. Oktober die Nachfolge von Fumio Kishida angetreten. Nur acht Tage später löste Ishiba das Unterhaus in der Hoffnung auf, sich bei den Neuwahlen am Sonntag das Mandat der Wähler zu sichern. Der Politikveteran hat sich jedoch verrechnet. Der Chef für Wahlstrategie der LDP, Shinjiro Koizumi, übernahm die Verantwortung und trat zurück. Das Parlament muss nun innerhalb von 30 Tagen zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um dann beide Kammern über den künftigen Ministerpräsidenten abstimmen zu lassen.

Universität Zürich UZH (Internet-Publikation) am 04.11.2024

Diversity zwischen Anspruch und Realität

Eine Diskussionsrunde beleuchtete die Frage, wie Hochschulen auf dem Weg zu mehr Diversität vorankommen. Die Debatte drehte sich um vielfältige Definitionen, ein neues Exzellenzverständnis und das Spannungsfeld zwischen «Safe Spaces» und akademischer Freiheit.

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Ist Diversität ein gesellschaftliches Ideal oder ein bequemes Etikett? Darüber diskutierten unter der Leitung von UZH-Philosophieprofessor Christoph Halbig die Sozialpolitik-Professorin Ute Klammer (Universität Duisburg-Essen) und Rechtsprofessor Daniel Markovits (Yale Law School) in der UZH-Veranstaltungsreihe «Wer darf bei uns reden?».

Ute Klammer, Professorin für Sozialpolitik und Direktorin des Deutschen Instituts für Interdisziplinäre Sozialpolitikforschung, hat mit der Umsetzung von «Diversity Policies» reichlich Erfahrung. Sie war während sieben Jahren Prorektorin für Diversity Management der Universität Duisburg-Essen, ausserdem forscht sie zum Thema.

«Mit welchen Dimensionen beschäftigen wir uns überhaupt in Wissenschaft und Forschung, wenn es um Diversität geht?», fragte Klammer. Häufig würden Dimensionen wie Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, Behinderung, Nationalität, ethnische Zugehörigkeit oder auch Religion genannt. An Hochschulen und in der Wissenschaft spielten weitere Kriterien eine grosse Rolle: Bildungshintergrund, sozialer Hintergrund, unterschiedliche Lerntypen, aber auch Fachkulturen.

Business Case oder wahre Teilhabe?

Klammer erläuterte die zwei Seiten des Begriffs Diversity: Seit den 1990er Jahren werde er häufig als «Business Case» verwendet. Diese Sichtweise betont, dass diverse Teams kreativer und effizienter arbeiten, bessere Problemlösungen finden und flexibler sind. Die Diversitätsdebatte stammt aber noch aus einer anderen Richtung, nämlich den Menschenrechts- oder Bürgerrechtsbewegungen, die eine lange Tradition haben. Die Anerkennung von Diversität dürfe nicht auf einen wirtschaftlichen Nutzen reduziert werden, so Klammer weiter: «Es geht auch um Gleichheit, Teilhabe und Gerechtigkeit.»

Im universitären Kontext bleiben nach wie vor grosse Lücken, wie Klammer anhand des «Gender Gaps» in der Wissenschaft beschrieb: Frauen haben weniger Professuren inne als Männer, sie werden seltener zitiert und für wissenschaftliche Preise nominiert.

Neuer Exzellenzbegriff

Ein zentraler Punkt in Klammers Referat war die Frage, wie Exzellenz im universitären Kontext definiert werde und ob ein erweitertes Exzellenzverständnis notwendig sei. An vielen deutschen Hochschulen orientiert sich Exzellenz hauptsächlich an messbaren Kriterien wie Publikationen, Drittmitteln und internationalen Auszeichnungen. Diese Anforderungen werden in Berufungskommissionen selten hinterfragt.

Die enge Definition von Exzellenz kann Diversität behindern, weil sie alternative Karrierewege und Formen des Engagements ausklammert. Klammer berichtete von Interviews mit jungen Wissenschaftler:innen, die den Wunsch haben, dass der Exzellenzbegriff erweitert wird, um auch Kooperation, innovative Lösungsansätze, Nachhaltigkeit und den Nutzen für die Gesellschaft zu fördern.

Klassendiversität nicht vernachlässigen

Daniel Markovits, Philosoph, Mathematiker und Rechtsprofessor an der Yale Law School, lenkte den Blick auf die strukturellen Herausforderungen und beschrieb das Problem aus amerikanischer Perspektive. Er wies auf die Hürden hin, die sozioökonomische Ungleichheit für die Hochschulbildung in den USA bedeuten. «Viele Studierende an Elite-Universitäten kommen aus der reichsten Schicht des Landes. Das führt dazu, dass die sozioökonomische Diversität auf der Strecke bleibt, obwohl die Universitäten Diversität in anderen Identitätskategorien wie Ethnie oder Geschlecht erfolgreich gefördert haben.»

Die sozioökonomische Diversität sei jedoch besonders wichtig, um sicherzustellen, dass Universitäten nicht zu «Elitenfabriken» verkommen, die lediglich den Wohlstand und die Macht der Oberschicht reproduzieren.

Safe Spaces und akademische Freiheit

Markovits kam auch auf das Spannungsfeld zwischen akademischer Freiheit und Nicht-Diskriminierung zu sprechen. Insbesondere in den USA ist die Forderung nach sogenannten Safe Spaces zum Schutz vor Anfeindungen oder Diskriminierungen weit verbreitet. «Die akademische Freiheit ist ein Grundpfeiler, aber wir müssen auch die Bedürfnisse marginalisierter Gruppen berücksichtigen und Wege finden, um beide Seiten zu integrieren», erklärte er.

Der Yale-Professor betonte, dass der Wunsch nach sicheren Räumen oft nur von Menschen kritisiert werde, die in einer dominanten Position seien und keine Diskriminierungserfahrungen gemacht hätten. Dies zeige, wie wichtig eine Differenzierung zwischen freier Rede und Inklusivität sei. Beide Werte müssten geschützt werden, ohne dass der eine den anderen aufhebt.

Markovits warnte davor, dass Diversitätsmassnahmen nur an der Oberfläche wirken, wenn sie nicht tiefere strukturelle Reformen begleiten würden: «Die Universität wird eine ganz andere sein, wenn sie wirklich inklusiv ist.»

Carole Scheidegger. Redaktorin UZH News

TU Dortmund (Internet-Publikation) am 04.11.2024

Drei Fragen an Humboldt-Stipendiatin Dr. Sara Namusoga-Kaale

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Seit Beginn des Wintersemesters ist Dr. Sara Namusoga-Kaale zu Gast am Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus der TU Dortmund. Als Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin wird die Wissenschaftlerin von der Makerere University in Uganda zwölf Monate lang in Dortmund die europäische Medienberichterstattung über afrikanische Migration nach Europa und die Kommunikationspraktiken afrikanischer Migrant*innen in Europa untersuchen. In diesem Interview spricht Dr. Namusoga-Kaale über die aktuellen Herausforderungen der Medienentwicklungszusammenarbeit und ihre aktuelle Forschung zu Medien und Migration.

Frau Namusoga-Kaale, gleich zu Beginn Ihres Stipendiums haben Sie an einer internationalen Konferenz zur Medienentwicklungszusammenarbeit an der TU Dortmund teilgenommen. Vor welchen Herausforderungen steht die Medienentwicklungszusammenarbeit derzeit?

Grundsätzlich würde ich sagen, dass das Agenda Setting, also die Themensetzung durch Massenmedien, eine der größten Herausforderungen ist. Ich denke, dass die Partner im globalen Süden und im globalen Norden sich manchmal nicht einig sind, bei welchen Themen sie zusammenarbeiten sollen. In der Regel geht es dabei um Werte wie Demokratie und Menschenrechte, die in vielen Teilen Afrikas ein heikles Thema sind. Während die Medienentwicklungspartner ihre Hilfe an diese Werte knüpfen, sind ihre Partner im globalen Süden der Meinung, dass es andere wichtige Themen gibt, die finanziert werden sollten. Mir ist auch aufgefallen, dass sich die Medienentwicklungspartner bei der Auswertung ihrer Arbeit eher auf die Erfolge konzentrieren, ohne die negativen Auswirkungen ihrer Interventionen zu berücksichtigen. Als Podiumsteilnehmerin auf der Konferenz sprach ich über meine Forschung, die sich mit der Notwendigkeit befasst, die negativen Auswirkungen der Medienentwicklung in einem Land wie Uganda zu berücksichtigen. Dabei ging ich speziell auf das Thema LGBT-Rechte (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender) ein, das in Uganda sehr umstritten ist, vor allem weil LGBT-Beziehungen dort illegal sind. Daher haben einige Aktivist*innen für LGBT-Rechte ihre Partner im Norden gebeten, sich aus dem Diskurs herauszuhalten, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie den Ugander*innen ihre Werte oder Kultur aufzwingen wollen. Das Wichtigste, was ich von der Konferenz mitgenommen habe, ist die Notwendigkeit, dass Medienentwicklungspartner mit ihren Partnern im globalen Süden auf Augenhöhe zusammenarbeiten.

Was sind die Schwerpunkte Ihrer bisherigen Forschung? Inwieweit können Sie Ihre Forschung im Rahmen des Stipendiums an der TU Dortmund vorantreiben?

Ich habe in verschiedenen Bereichen geforscht, zum Beispiel zur medialen Aufbereitung kontroverser Themen wie LGBT-Rechte, zur Rolle des multimedialen Storytellings beim Festhalten von COVID-19-Erfahrungen in Uganda, zu den Bedürfnissen afrikanischer Journalist*innen bei der Migrationsberichterstattung oder zum Zusammenspiel von Medien und Politiken gentechnisch veränderter Organismen in Uganda. Das Humboldt-Stipendium ist eine gute Gelegenheit für mich, meine Forschung über Medien und afrikanische Migration in Europa fortzusetzen. Konkret werde ich mich mit der europäischen Medienberichterstattung über afrikanische Migration nach Europa sowie mit den Kommunikationspraktiken afrikanischer Migrant*innen in Europa beschäftigen. Das Team des Erich-Brost-Instituts unter der Leitung von Professorin Susanne Fengler verfügt über große Erfahrung in der Forschung auf diesem Gebiet, und ich hoffe, dass ich von dieser Erfahrung sowie von seinem großen Netzwerk von Lehrenden und Ausbilder*innen im Bereich Medien und Journalismus in Europa profitieren kann.

Was ist für Sie während Ihrer Zeit in Dortmund wichtig? Wie sehen Ihre Pläne aus?

Ich hoffe, dass ich während meiner Zeit in Dortmund mein Forschungs- und Publikationsprofil ausbauen kann. Außerdem denke ich, dass dies eine gute Gelegenheit für mich ist, mit den Kolleg*innen des Erich-Brost-Instituts und den Mitgliedern ihres Netzwerks zusammenzuarbeiten, um über afrikanische Migration in Europa zu forschen, während ich in Europa bin. Ich werde auch an anderen Aktivitäten des Erich-Brost-Instituts teilnehmen, wie z. B. an der Autumn School für angehende afrikanische Journalismusausbilder*innen in Dortmund, und bei passender Gelegenheit Vorträge für einige der Studierenden halten. Außerdem werde ich im Januar 2025 an der Universität Duisburg-Essen einen Vortrag über Migration in Europa und Afrika halten. Schließlich bin ich eingeladen worden, eine regelmäßige Kolumne für das European Journalism Observatory zu schreiben.

Über das Humboldt-Forschungsstipendium

Das von der Alexander von Humboldt-Stiftung vergebene Forschungsstipendium ermöglicht erfahrenen internationalen Wissenschaftler*innen mit überdurchschnittlicher Qualifikation, in Zusammenarbeit mit einem*einer Gastgeber*in an einer deutschen Forschungseinrichtung ein eigenes Projekt durchzuführen. Das Stipendium richtet sich an Postdocs und erfahrene Wissenschaftler*innen, deren Promotion nicht länger als zwölf Jahre zurückliegt.

Westfalen-Blatt, Halle (Tageszeitung) vom 05.11.2024

Ein Training gegen Stammtischparolen

Politologe spricht bei interaktiven Vortrag am Mittwoch in der St. Johanniskirche

halle WB "Asylanten sind Sozialschmarotzer", "Wer Arbeit will, der findet auch welche", "Ausländer sind kriminell", "Wegen der vielen Flüchtlinge kann sich keine Frau mehr auf die Straße trauen"Da sind doch alles nur Wirtschaftsflüchtlinge" – Stammtischparolen wie diese kommen meistens plötzlich und unerwartet, sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft, sie sind populär und populistisch.

Äußerungen dieser Art nehmen zu. Wer mit ihnen konfrontiert wird, fühlt sich überrumpelt, will reagieren, aber es fällt einem nichts Passendes ein. Was kann man sagen, was tun? Was steckt hinter diesen Parolen? Welches Weltbild, welches Politikverständnis wird damit transportiert? Welche Argumente, Fakten und Informationen können den populistischen Parolen und Sprüchen entgegengesetzt werden? Doch werden sie im Zeitalter verbreiteter Fake News überhaupt akzeptiert?

Um diese Fragen geht es in dem interaktiven Vortrag, Antworten werden mit Bezug auf die Psychologie von Vorurteilen und die Ursachen und Erscheinungsformen von Rassismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gegeben.

Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer, an der Universität Duisburg-Essen tätiger Politologe und Erwachsenenbildner, hat ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen entwickelt. Es ist ein vielfach erprobtes, in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg bekanntes Training gegen Populismus, Diskriminierung und Pauschalverunglimpfung.

Am Mittwoch, 6. November, kommt er auf Einladung des Kirchenkreises Halle zu einem Vortrag in den Altkreis. Um 19 Uhr wird er in der St. Johanniskirche in Halle zum Umgang mit Stammtischparolen und Co. referieren. Der Eintritt ist frei.

Rhein-Sieg-Anzeiger (Tageszeitung) vom 12.10.2024, S. 41

Eine Frage des Preises

Eine Frage des Preises Von Martina Sulner D a ist Kondition gefragt. Wer in der nächsten Woche die Frankfurter Buchmesse besucht, braucht Durchhaltevermögen. Beim weltweit größten Branchentreffen präsentieren rund 4000 Aussteller aus mehr als 100 Ländern ihre Neuheiten. Hunderte von Autoren und Autorinnen stellen vom 16. bis 20. Oktober Texte vor, debattieren über Themen wie Klimakrise und Krieg und signieren vor allem an den beiden Publikumstagen am Samstag und Sonntag ihre Bücher. Der Trubel dürfte gewaltig sein - und das in Zeiten, in denen viel über mangelnde Lesekompetenz und kulturelle Verflachung geredet wird. Wer zudem an allen Preisverleihungen rund um die Messe teilnehmen möchte, hat besonders gut zu tun. Unter anderem werden in Frankfurt der Jugendliteraturpreis, der Julius-Campe-Preis, der Tiktok Book Award, der Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis verliehen und, bereits am Montagabend, der Deutsche Buchpreis. Nominiert sind dafür Martina Hefter, Maren Kames, Clemens Meyer, Ronya Othmann, Markus Thielemann und Iris Wolff. Das sind jede Menge Auszeichnungen - und ist doch nur ein Bruchteil der rund 1000 Literaturpreise in Deutschland. Eine exakte Zahl lässt sich nicht nennen: Immer wieder werden neue Ehrungen ins Leben gerufen oder man verabschiedet sich nahezu unbemerkt von alten, als überholt geltenden Preisen. Viel zu viele seien das, kritisieren manche, die Zahl der Ehrungen wachse „inflationär“. Oft meinen das vor allem Menschen mit gut dotierten Jobs. Und oft steht hinter dieser Behauptung ein etwas verqueres, antiquiertes Verständnis von den Bedingungen des Schreibens - als würden Schreibende heutzutage verhätschelt und als könne nur der arme Poet, die arme Poetin Relevantes zu Papier bringen.

Mal ganz abgesehen davon, kön-Wer macht das Rennen? Am Montag wird in Frankfurt der Deutsche Buchpreis verliehen. Es ist eine von rund

1000 Literaturauszeichnungen in Deutschland. Sind das viel zu viele, wie manche kritisieren? Oder sind sie ein wichtiger Faktor für eine vielfältige Literaturlandschaft? Ein Blick auf das Preisgeschehen. Es ist fast noch mehr die Anerkennung als der finanzielle Aspekt. Antje Rávik Strubel, Autorin, über die Bedeutung von Literaturauszeichnungen nen die meisten Schreibenden in Deutschland tatsächlich keine großen Sprünge machen. Es gibt ein paar prominente Schriftsteller und Schriftstellerinnen, deren Bücher sich gut verkaufen und die bei Lesungen große Säle füllen. Doch für das Gros ihrer Kollegen und Kolleginnen gilt das nicht. Nach aktuellen Zahlen der Künstlersozialkasse liegt das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen von dort versicherten Autorinnen und freiberuflichen Journalisten bei 2000 Euro. Wir hätten keinesfalls zu viele Auszeichnungen, meint Alexandra Pontzen, Literaturprofessorin an der Universität Duisburg-Essen und Mitautorin der Studie „Literaturpreise im deutschsprachigen Raum seit 1990: Funktionen und Wirkungen". Die Ehrungen seien zwar alle Instrumente der literarischen Qualitätssicherung, Autorenforderung und Leserorientierung, doch „kein Preis gleicht dem anderen“. Die Auszeichnungen seien ebenso vielfältig wie ihre Funktionen, erläutert Pontzen im Gespräch. So gebe es Ehrungen für bestimmte Genres und für bestimmte Inhalte, es gebe solche, die sich speziell an Frauen richten, andere an Übersetzer, wieder andere an Debütantinnen ... Dazu kommen die Auszeichnunggen, bei denen „Regionalität eine besondere Rolle spielt“. Das kann einerseits bedeuten, dass eine Region Schreibende auszeichnet, die von dort stammen, dort leben oder die Region zum Thema ihrer Literatur machen. Oftmals solle andererseits mit der Vergabe der Auszeichnung eine Kulturregion gestärkt werden. Das gilt auch für Stadtschreiber-Stipendien.

Bei vielen Auszeichnungen gehe es dezidiert um mehr als rein literarische Kriterien, betont die Literaturwissenschaftlerin. So zeichnet der Wortmeldungen Ulrike Crespo Literaturpreis Texte aus, „,die sich kritisch mit gegenwärtigen Themen beschäftigen“, wie es auf der Website heißt. Marion Poschmann wurde 2021 für „eine literarische Vision für eine klimagerechte Zukunft" geehrt.

Und dass es manchen Einrichtungen mit der Vergabe eines Preises vielleicht mehr um Eigen-PR als um Literaturförderung geht, dürfte verzeihlich sein.

Ähnlich unterschiedlich wie die Zielsetzung der Auszeichnungen ist auch ihre Dotierung. Für den Büchner-Preis gibt es 50 000 Euro, für den Krimifuchs 800 Euro - und ein Großteil der Auszeichnungen ist gar nicht dotiert. Für Schreibende kann selbst solch ein Preis beglückend sein: Das Finanzielle spiele natürlich eine Rolle, wenn man sich als freie Autorin durchzuschlagen versuche, sagt die Schriftstellerin Antje Rávik Strubel („Tupolew 134“ „Sturz der Tage in die Nacht“). Doch das sei nicht das einzig Wichtige: „Es ist fast noch mehr die Anerkennung als der finanzielle Aspekt.“ Am Anfang des Schreibens seien Preise „mutmachend, sie sind eine Motivation“. Nachdem sie 2001 den Ernst-Willner-Preis beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewonnen hatte, habe das Feuilleton sie überhaupt erst wirklich wahrgenommen. Spätere Auszeichnungen waren in anderer Hinsicht bedeutend: Der Preis der Literaturhäuser 2019 „markierte für mich das Ende einer Durststrecke von fast zehn Jahren und brachte mich zurück aufs literarische Parkett", sagt Rávik Strubel.

Der Deutsche Buchpreis, der jetzt zum 20. Mal verliehen wird, wird weithin beachtet. Ziel ist es laut Satzung, „über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autor*innen, das Lesen und das Leitmedium Buch “. Das ist ihm auf jeden Fall gelungen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der die Ehrung vergibt, investiert viel in Marketing und PR. Das geht von der Bekanntgabe der Jury über die Ankündigung der Longlist mit 20 Titeln bis zur Bekanntgabe der Shortlist mit sechs Titeln. Alles begleitet von Diskussionen in den Medien und unter Literaturinteressierten, ob die Auswahl etwas taugt. „Gerade durch das Wettbewerbsformat gelingt es, eine große Gruppe von Literaturinteressierten mitzunehmen“, sagt Literaturwissenschaftlerin Pontzen. Den Namen der Gewinnerin oder des Gewinners - wie Tonio Schachinger 2023 - haben viele Literaturfans noch nach Monaten parat. Beim Kleist- und Döblin -, beim Raabe- und selbst beim Büchner-Preis, der als renommierteste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur gilt, sieht es schon anders aus.

Die herausragende Stellung des Deutschen Buchpreises hat auch Rávik Strubel erlebt, die 2021 für ihren Roman „Blaue Frau“ ausgezeichnet wurde. Übrigens verbunden mit einem Preisgeld von 25 000 Euro; für diejenigen, die es auf die Shortlist schaffen, gibt es je 2500 Euro. Wie wichtig war der Preis für sie? „Er hat mich hoffentlich endgültig als einigermaßen ,feste Grö-FOTO: LYSANDER YUEN/UNSPLASH Be' im deutschen Literaturbetrieb verankert", sagt die 50-Jährige. „Er hat mir das Glück verschafft, tatsächlich, wenn auch nur für kurze Zeit, in Bahnhofsbuchhandlungen zu finden zu sein. " Auch wenn manchen solch eine „Challenge“ mit Long- und Shortlist-Bekanntgabe nicht behagt: Das Verfahren wirkt zeitgemäß. Wie aber letztendlich eine Jury zu ihrem Votum kommt, wissen meist nur deren Mitglieder. Als zwei Jurorinnen des Internationalen Literaturpreises des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin vor ein paar Monaten das sonst übliche Schweigen brachen, sorgte das für einigen Wirbel. Laut Satzung zeichnet sich der Preis „durch seine besondere Anerkennung von Schriftsteller*innen und Übersetzer*innen aus, die in ihrer Arbeit über kulturelle und nationale Grenzen hinweg denken". Juliane Liebert und Ronya Othmann, die mit ihrem Roman „ Vierundsiebzig" gerade auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis steht, kritisierten in einem „Zeit“ -Artikel: „Es ging um Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, um Politik und nicht um Literatur." Das wirft - neben der Überlegung, ob es sich gehört, Interna aus Sitzungen auszuplaudern - Fragen auf: Unter anderem, ob es eine „objektive“ Jury überhaupt geben kann und inwieweit außerliterarische Erwägung bei jedem Entscheidungsprozess mitwirken, wenn vielleicht auch unbewusst.

Ob nun all die Auszeichnungen dafür sorgen, dass erstklassige Literatur entsteht? So schlicht und direkt lassen sich die Verbindungen nicht ziehen. Auf jeden Fall unterstützen sie Autoren und Autorinnen dabei, sich aufs Schreiben zu konzentrieren. Davon profitieren viele: Agenten, Verlegerinnen, Buchhändler - und nicht zuletzt Leser und Leserinnen. Buchpreisträger 2023: Autor Tonio Schachinger. FOTO: IMAGO/DWI ANORAGANING RUM/PANAMA PICTURES

Rheinische Post, Duisburg (Tageszeitung) vom 05.11.2024

Florian Philipp Ott (FDP) tritt im Wahlkreis 113 an

Moers/neukirchen-Vluyn (bk) Bei der Wahl zum 21. Deutschen Bundestag wird Florian Philipp Ott für die Freien Demokraten im Wahlkreis 113 (Krefeld II - Wesel II) antreten. Das teilten die Liberalen jetzt mit. Auf der Kreiswahlversammlung entschieden sich die Mitglieder aus Krefeld, Moers und Neukirchen-Vluyn für den 36-Jährigen, der für diesen Wahlkreis bereits 2017 kandidiert hatte.

Vor seiner Wahl erklärte Ott: "Das Erfolgsmodell Deutschland steht unter Druck. Die wirtschaftliche Krise unseres Landes spitzt sich dramatisch zu. Unser Land braucht deshalb schnell einen spürbaren und konsequenten Modernisierungsimpuls." Ott ist Politikwissenschaftler und Psychologe. Der 36-jährige Krefelder arbeitet derzeit für das Bundesministerium der Finanzen. Zuvor war er stellvertretender Regierungssprecher der Landesregierung sowie Büroleiter des Krefelder Bundestagsabgeordneten Otto Fricke. Im Rahmen eines nebenberuflichen Lehrauftrags ist er Dozent an der Universität Duisburg-Essen.

WAZ Online am 04.11.2024

Bundestagswahl 2025: Florian Philipp Ott tritt für die FDP an

Florian Philipp Ott geht für die Liberalen im Moerser Wahlkreis 113 bei der Bundestagswahl 2025 ins Rennen. So möchte er um Stimmen kämpfen.

Zum Originalbeitrag

Moers/Neukirchen-Vluyn/Krefeld.

Bei der Wahl zum künftigen 21. Deutschen Bundestag in 2025 kandidiert der Krefelder Florian Philipp Ott für die FDP im Moerser Wahlkreis 113 (Krefeld II - Wesel II). Das schreibt der FDP Stadtverband Moers in einer Mitteilung. Bei einer Wahlversammlung der FDP-Stadtverbände wurde Ott entsprechend gewählt. Im gleichen Wahlkreis war der 36-Jährige Politikwissenschaftler und Psychologe bereits bei der Bundestagswahl 2017 für die Liberalen ins Rennen gegangen.

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Florian Ott möchte mit liberalen Kernanliegen um die Stimmen der Wähler kämpfen: "Das Erfolgsmodell Deutschlands steht unter Druck. Die wirtschaftliche Krise unseres Landes spitzt sich dramatisch zu. Wir Freie Demokraten setzen uns deshalb für einen Staat ein, der den Menschen wieder Lust auf Leistung macht, die Fleißigen wieder stärkt!"

Damit der persönliche Fortschritt und soziale Aufstieg wieder vielen Menschen durch die eigene Initiative und die eigene Leistung gelingen könne, brauche es aber wieder einen Aufschwung mit wirtschaftlichen Perspektiven, argumentiert Ott weiter: "Die Rufe der Unternehmen nach weniger Bürokratie, günstigeren Energiepreisen und niedriger Steuerlast müssen deshalb endlich Gehör finden". Nur wenn es den Unternehmen in Industrie und Mittelstand wieder gut gehe, gehe es auch den Menschen gut, ist Ott überzeugt

Weitere aktuelle Nachrichten aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn:

Florian Philipp Ott ist Politikwissenschaftler und Psychologe. Der 36-jährige arbeitet derzeit für das Bundesministerium der Finanzen. Zuvor war er stellvertretender Regierungssprecher der NRW-Landesregierung in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Im Rahmen eines nebenberuflichen Lehrauftrags ist er außerdem Dozent an der Universität Duisburg-Essen.

Politisch engagiert sich Ott seit 2007 in Krefeld und im Bund für die FDP. Von 2013 bis 2018 war er stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen (JuLis). Von 2014 bis 2018 gehörte er dem Rat der Stadt Krefeld an, von 2014 bis 2020 der Bezirksvertretung Uerdingen.

regioactive.de am 05.11.2024

CineScience: Der Western als Spektakel zwischen Exzess und Kitsch

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Der bundesdeutsche Karl-May-Film, die Italo-Western und auch die DEFA-Indianerfilme haben das Genre des Western seit den 1960er Jahren gesprengt, erweitert und wiederbelebt. Ihre Stoßrichtung war eine andere als im Hollywood-Western. Es ging weniger um den Mythos des Wilden Westens als um ein Kino der Attraktionen. Klar, viele Italo-Western und natürlich die DEFA-Indianerfilme waren auch politisch. Doch ist die Abkehr weg von der mythischen Erzählung hin zum Spektakel unübersehbar. Karl-May-Filme sind naiv, Italo-Western exzessiv und die DEFA hat eher Abenteuer- als antikapitalistische Indianerfilme gedreht. Es war ein betont populäres Kino, ein Kino, dem man sich nur schwer entziehen konnte, sei es "Der Schatz im Silbersee" (1962), von dem sogar in Hollywood gesagt, die deutschen könnten Western drehen, der erste der DEFA-Indianerfilme "Die Söhne der großen Bärin" (1966) oder die vor allem späteren komödiantischen Italo-Western mit Bud Spencer und Terence Hill. Der Vortrag versucht Filme aus diesem Spektrum angereichert durch eine erweiterte Perspektive auf das internationale Kino als Guilty Pleasures in den Blick zu nehmen.THOMAS KLEIN ist promovierter Film- und habilitierter Medienwissenschaftler und hat zahlreiche Artikel und Bücher zum Western publiziert. Von 2010-2013 leitete er das DFG-Projekt "Western global" an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er ist Lehrbeauftragter für Medien und Film in Theorie und Praxis an mehreren Hochschulen und arbeitet freiberuflich als Green Consultant für Film & TV, Filmkritiker und in der Medienbildung sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung.
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Karten können Sie beizeiten online buchen oder wie üblich an der Abendkasse erwerben sowie unter Tel. 0201 43 93 66 33 reservieren.
Eintritt: 5,- € | erm. 3,- €
VERANSTALTER
Eine Veranstaltung des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) in Kooperation mit dem Filmstudio Glückauf.

Universitätsallianz Ruhr / Research Alliance Ruhr

WAZ Online am 04.11.2024

„ONE HEALTH RUHR“

Spitzenforschung im Revier: Das lässt Krebspatienten hoffen

Essen. Start für ein Millionenprojekt im Ruhrgebiet: 14 Fachleute arbeiten unter einem Dach. Wie hängen Gesundheit und Umwelt zusammen?

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Von Stephanie Weltmann

Redakteurin Politik/Wirtschaft

Der Hirnforscher Onur Güntürkün ist einer der Gründungsdirektoren des ersten „Research Centers One Health Ruhr“, an dem Fachleute aus Medizin, Neuro- und Umweltwissenschaften zusammen zu den Zusammenhängen von Gesundheit und Umwelt forschen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Der Hirnforscher Onur Güntürkün ist einer der Gründungsdirektoren des ersten „Research Centers One Health Ruhr“, an dem Fachleute aus Medizin, Neuro- und Umweltwissenschaften zusammen zu den Zusammenhängen von Gesundheit und Umwelt forschen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wer an Krebs erkrankt, der will es genau wissen: Welche Nahrungsmittel sollte man meiden, welche ganz gezielt zu sich nehmen, und bei welchen Umweltchemikalien muss man vorsichtig sein?

Die renommierte Zellbiologin Prof. Kathrin Thedieck forscht zu diesen Fragen und hat dafür einen Rahmen gewählt, der bundesweit seinesgleichen sucht: Die Krebsforscherin mit internationalem Ruf gehört zum Team des neuen Spitzenforschungszentrums „Research Center One Health Ruhr“, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen und Revier-Universitäten zusammen herausfinden wollen, wie Gesundheit und Umwelt ineinandergreifen.

Hilfe für Krebspatienten: Welche Nahrungsmittel vermeiden?

Am Beispiel der Krebsforschung heiße das: „Wir arbeiten mit Kollegen zusammen, die kartieren, wo in Gewässern bestimmte Chemikalien vorkommen und in welchen Lebensmitteln sie damit auftreten“, erklärt Thedieck, Professorin an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg/Essen. „Diese Ergebnisse wollen wir nutzen und verstehen, wie bestimmte Chemikalien den Tumorstoffwechsel verschieben können“, sprich: wie sich Chemikalien auf einen Tumor, dessen Wachstum und eine Krebstherapie auswirken.

Die Zellbiologin Kathrin Thedieck will herausfinden, wie Umweltgifte miteinander reagieren und eine Krebstherapie beeinflussen. Sie forscht dazu zusammen mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen am Research Center One Health Ruhr. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Die Zellbiologin Kathrin Thedieck will herausfinden, wie Umweltgifte miteinander reagieren und eine Krebstherapie beeinflussen. Sie forscht dazu zusammen mit Kollegen aus anderen Fachrichtungen am Research Center One Health Ruhr. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Denn dazu wisse man noch zu wenig, so die Zellbiologin, ebenso wenig dazu, wie bestimmte Umweltgifte auch in geringerer Dosis miteinander reagieren. „Am Ende der Forschung könnten ganz einfache Vorhersagen stehen“, sagt Thedieck. „Wir hoffen zum Beispiel sagen zu können, wo man welche Nahrungsmittel während einer Therapie meiden sollte und welche man ganz spezifisch zu sich nehmen kann.“

Forscher sollen gezielt über den Tellerrand ihrer eigenen Expertise gucken

Es ist dieser fachübergreifende Blick auf ein Problem, der das neue Forschungszentrum One Health Ruhr auszeichnen soll. Es umfasst drei Disziplinen: die Wasserforschung, die Neurowissenschaft und die Onkologie. Alle drei seien miteinander verknüpft, sagt Onur Güntürkün, Professor für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum.

„Unser Gehirn ist nicht nur in der Lage, unser gesamtes Denken zu organisieren. Es reagiert gleichzeitig auch auf viele Signalmechanismen aus unserem Körper, die im Zuge von Krebserkrankungen oder anderen Umwelt assoziierten Prozessen auf unser Gehirn einwirken“, so der Hirnforscher, der auch einer der Gründungsdirektoren ist. Gesundheit müsse als Querschnittsthema gedacht werden - genau das sei das Ziel des „Research Center One Health Ruhr“. Dort sollen 14 Professorinnen und Professoren aus Biologie, Chemie, Medizin, Neuro- und Umweltwissenschaften zusammenarbeiten, acht sind bereits berufen.

Drei weitere Forschungszentren: Land gibt über 120 Millionen Euro für Forscherallianz

Das Zentrum ist eines von vieren, mit denen die Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg/Essen ihre gemeinsame Spitzenforschung stärken wollen. Seit 2021 arbeiten die drei Hochschulen als Allianz, ihre gemeinsame Forschung wird als ein Ergebnis der sogenannten Ruhrkonferenz des früheren Ministerpräsidenten Armin Laschet gesehen. Das Land NRW unterstützt das Forschungs-Engagement mit über 120 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2025.

Zur Eröffnung des ersten „Research Centers“ am Montag erinnerte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) daran, dass mit der Ruhr-Universität Bochum vor 60 Jahren die erste größere Hochschulansiedlung auf dem Gebiet Nordrhein-Westfalens seit dem 19. Jahrhundert gelang. Heute sei die Region die dichteste Forscherregion Europas.

„Wir gucken etwas schüchtern auf diese Stärke. In den USA sagen sie mir, wir sind das Kalifornien Deutschlands“, so der Landeschef wohl mit Blick auf den dortigen Innovationstreiber Silicon Valley. In keiner vorherigen Generation hätten Menschen über so viel Wissen und Fähigkeiten verfügt, um die Probleme der Zeit zu lösen, so Wüst. „Das ist ein großes Privileg, so viele Chancen durch Wissen zu haben.“

Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) ergänzte: „Der Kohleabbau hat den Menschen im Ruhrgebiet und in ganz Deutschland zu großem Wohlstand verholfen“, so die Ministerin. „Heute sorgt der Rohstoff Forschung und Wissenschaft für gute Arbeit, Wohlstand und soziale Sicherheit.“

Emscherumbau: Forschung zu Einsamkeit

Noch arbeiten die Forschenden nicht an einem gemeinsamen Zentrum. Der Bau eines neuen Gebäudes verzögere sich, heißt es aus dem Kreis der Aktiven. Die Kooperation fange aber jetzt an. Ein Forschungsprojekt soll dabei auch die neue Emscher sein.

Die Renaturierung der früheren Köttelbecke bietet aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Chance für mehr soziales Miteinander. Einsamkeit wird als ein Thema dieser Zeit verstanden, von dem vor allem ärmere Menschen betroffen sind. Dazu soll geforscht werden.

Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 1

Gesundheit: Revier-Unis forschen gemeinsam

Essen Auf dem Areal der Zeche Zollverein ist am Montag das interdisziplinäre Forschungszentrum "One Health Ruhr" eröffnet worden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden sich mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen Eingriffe ins Ökosystem auf das körperliche und mentale Wohlergehen des Menschen haben, erläuterte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). An dem Zentrum beteiligt sind die Uni Duisburg Essen, die Ruhr-Uni Bochum und die TU Dortmund. Region

Alle weiteren Quellen: Westdeutsche Allgemeine WAZ Bochum • Westdeutsche Allgemeine WAZ Bottrop • Westdeutsche Allgemeine WAZ Castrop-Rauxel • Westdeutsche Allgemeine WAZ Dortmund • Westdeutsche Allgemeine WAZ Duisburg • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gelsenkirchen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gladbeck • Westdeutsche Allgemeine WAZ Hattingen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Heiligenhaus, Velbert • Westdeutsche Allgemeine WAZ Herne • Westdeutsche Allgemeine WAZ Moers • Westdeutsche Allgemeine WAZ Mülheim • Westdeutsche Allgemeine WAZ Oberhausen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Vest-Recklinghausen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Witten • Westfälische Rundschau Arnsberg • Westfälische Rundschau Dortmund • Westfälische Rundschau Ennepetal • Westfälische Rundschau Hagen • Westfälische Rundschau Hohenlimburg • Westfälische Rundschau Iserlohn • Westfälische Rundschau Meschede • Westfälische Rundschau Olpe • Westfälische Rundschau Siegen • Westfälische Rundschau Wetter • Westfälische Rundschau Wittgenstein

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Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 22

Spitzenforschung im Revier geht an den Start

Ein Millionenprojekt im Ruhrgebiet: 14 Fachleute sollen bei "One Health Ruhr" unter einem Dach arbeiten

Von Stephanie Weltmann

Essen Wer an Krebs erkrankt, der will es genau wissen: Welche Nahrungsmittel sollte man meiden, welche ganz gezielt zu sich nehmen, und bei welchen Umweltchemikalien muss man vorsichtig sein?

Die renommierte Zellbiologin Prof. Kathrin Thedieck forscht zu diesen Fragen und hat dafür einen Rahmen gewählt, der bundesweit seinesgleichen sucht: Die Krebsforscherin mit internationalem Ruf gehört zum Team des neuen Spitzenforschungszentrums "Research Center One Health Ruhr", in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen und Revier-Universitäten zusammen herausfinden wollen, wie Gesundheit und Umwelt ineinandergreifen.

Forscher wollenKrebspatienten helfen

Am Beispiel der Krebsforschung heiße das: "Wir arbeiten mit Kollegen zusammen, die kartieren, wo in Gewässern bestimmte Chemikalien vorkommen und in welchen Lebensmitteln sie damit auftreten", erklärt Thedieck, Professorin an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg/Essen. "Diese Ergebnisse wollen wir nutzen und verstehen, wie bestimmte Chemikalien den Tumorstoffwechsel verschieben können", sprich: wie sich Chemikalien auf einen Tumor, dessen Wachstum und eine Krebstherapie auswirken.

Denn dazu wisse man noch zu wenig, so die Zellbiologin, ebenso wenig dazu, wie bestimmte Umweltgifte auch in geringerer Dosis miteinander reagieren. "Am Ende der Forschung könnten ganz einfache Vorhersagen stehen", sagt Thedieck. "Wir hoffen zum Beispiel sagen zu können, wo man welche Nahrungsmittel während einer Therapie meiden sollte und welche man ganz spezifisch zu sich nehmen kann.

Es ist dieser fachübergreifende Blick auf ein Problem, der das neue Forschungszentrum One Health Ruhr auszeichnen soll. Es umfasst drei Disziplinen: die Wasserforschung, die Neurowissenschaft und die Onkologie. Alle drei seien miteinander verknüpft, sagt Onur Güntürkün, Professor für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. "Unser Gehirn ist nicht nur in der Lage, unser gesamtes Denken zu organisieren. Es reagiert gleichzeitig auch auf viele Signalmechanismen aus unserem Körper, die im Zuge von Krebserkrankungen oder anderen Umwelt assoziierten Prozessen auf unser Gehirn einwirken", so der Hirnforscher, der auch einer der Gründungsdirektoren ist.

Gesundheit müsse als Querschnittsthema gedacht werden - genau das sei das Ziel des "Research Center One Health Ruhr". Dort sollen 14 Professorinnen und Professoren aus Biologie, Chemie, Medizin, Neuro- und Umweltwissenschaften zusammenarbeiten, acht sind bereits berufen.

Das Zentrum ist eines von vieren, mit denen die Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg/Essen ihre gemeinsame Spitzenforschung stärken wollen. Seit 2021 arbeiten die drei Hochschulen als Allianz, ihre gemeinsame Forschung wird als ein Ergebnis der sogenannten Ruhrkonferenz des früheren Ministerpräsidenten Armin Laschet gesehen. Das Land NRW unterstützt das Forschungs-Engagement mit über 120 Millionen Euro in einem Vier-Jahres-Zeitraum.

Zur Eröffnung des ersten "Research Centers" am Montag erinnerte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) daran, dass mit der Ruhr-Universität Bochum vor 60 Jahren die erste größere Hochschulansiedlung auf dem Gebiet Nordrhein-Westfalens seit dem 19. Jahrhundert gelang. Heute sei die Region die dichteste Forscherregion Europas. "Wir gucken etwas schüchtern auf diese Stärke. In den USA sagen sie mir, wir sind das Kalifornien Deutschlands", so der Landeschef wohl mit Blick auf den dortigen Innovationstreiber Silicon Valley. In keiner vorherigen Generation hätten Menschen über so viel Wissen und Fähigkeiten verfügt, um die Probleme der Zeit zu lösen, so Wüst. "Das ist ein großes Privileg, so viele Chancen durch Wissen zu haben."

Wissenschaftsministerin Ina Brandes (CDU) ergänzte: "Der Kohleabbau hat den Menschen im Ruhrgebiet und in ganz Deutschland zu großem Wohlstand verholfen", so die Ministerin. "Heute sorgt der Rohstoff Forschung und Wissenschaft für gute Arbeit, Wohlstand und soziale Sicherheit."

Noch arbeiten die Forschenden nicht an einem gemeinsamen Zentrum. Der Bau eines neuen Gebäudes verzögere sich, heißt es aus dem Kreis der Aktiven. Die Kooperation fange aber jetzt an.

In den USA sagen sie mir, wir sind das Kalifornien Deutschlands.
Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident über den Hochschulstandortan Rhein und Ruhr

Alle weiteren Quellen: Westdeutsche Allgemeine WAZ Bochum • Westdeutsche Allgemeine WAZ Bottrop • Westdeutsche Allgemeine WAZ Castrop-Rauxel • Westdeutsche Allgemeine WAZ Dortmund • Westdeutsche Allgemeine WAZ Duisburg • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gelsenkirchen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Gladbeck • Westdeutsche Allgemeine WAZ Hattingen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Heiligenhaus, Velbert • Westdeutsche Allgemeine WAZ Herne • Westdeutsche Allgemeine WAZ Moers • Westdeutsche Allgemeine WAZ Mülheim • Westdeutsche Allgemeine WAZ Oberhausen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Vest-Recklinghausen • Westdeutsche Allgemeine WAZ Witten • Westfälische Rundschau Dortmund

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NRZ Neue Ruhr Zeitung, Essen (Tageszeitung) vom 05.11.2024, S. 22

Neues Forschungsareal auf Zollverein mit "360-Grad-Perspektive"

Essen Auf dem Areal des Essener Weltkulturerbes Zollverein ist am Montag das interdisziplinäre Forschungszentrum "One Health Ruhr" offiziell eröffnet worden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden sich mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen Eingriffe ins Ökosystem auf das körperliche und mentale Wohlergehen des Menschen haben, erläuterte NRW-Ministerpräsident Wüst, der gemeinsam mit Wissenschaftsministerin Ina Brandes (beide CDU) auf der Auftaktveranstaltung sprach. Die Kabinettsmitglieder würdigten den interdisziplinären Ansatz des Zentrums. In einer "360-Grad-Perspektive" werde das Thema Gesundheit von der Molekülebene bis zum übergeordneten Ökosystem beleuchtet.

Bereiche werden verzahnt

Die Forschungsbereiche Molekularbiologie und Wasserforschung, molekulare Krebsforschung sowie kognitive Neurowissenschaft seien an den drei beteiligten Universitäten – der Uni Duisburg Essen, der Ruhr-Universität Bochum und der TU Dortmund – bereits fest etabliert, hieß es. Durch die Rekrutierung von internationalen Spitzenkräften und der Einrichtung sogenannter Brückenprofessuren würden die Bereiche nun verzahnt.

Wüst würdigte die Forschungslandschaft im Ruhrgebiet als einzigartig in Europa. Im "Revier" seien fünf Universitäten, 17 Hochschulen für angewandte Wissenschaften, vier Max-Planck- sowie vier Leibniz-Institute und fünf Fraunhofer-Institute zu Hause. Zudem bündelten die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen in der Universitätsallianz Ruhr (UA) ihre Kompetenzen und setzten bei der wissenschaftlichen Zusammenarbeit sowie beim Studienangebot bundesweit Maßstäbe.

Internationale Wissenschaftler

Für die 14 geplanten Forschungsprofessuren für "One Health Ruhr" auf Zollverein konnten den Angaben zufolge bereits neun internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen werden, darunter eine Humboldt-Professur. Sukzessive sollen auch die Forschungszentren an den Hochschulen mit den Schwerpunkten "Chemical Sciences and Sustainability", "Trustworthy Data Science and Security" und "Future Energy Materials and Systems" sowie das "College for Social Sciences and Humanities" ihre Arbeit aufnehmen.

Das Forschungszentrum "One Health Ruhr" ist Teil des Hochschulverbunds Research Alliance Ruhr. Dieser Zusammenschluss der drei Ruhrgebietsuniversitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund wird vom Land NRW gefördert. epd

Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Die (Internet-Publikation) am 04.11.2024

Spitzenforschung im Ruhrgebiet

Spitzenforschung im Ruhrgebiet: Ministerpräsident Wüst eröffnet "One Health Ruhr" auf Zollverein

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Interdisziplinäre Forschungszentren der Research Alliance Ruhr zu den großen Zukunftsfragen: Wie bleiben Mensch und Umwelt gemeinsam gesund?

Die Forschungslandschaft im Ruhrgebiet ist einzigartig in Europa: Fünf Universitäten, 17 Hochschulen für angewandte Wissenschaften, je vier Max-Planck- sowie Leibniz-Institute und fünf Fraunhofer-Institute sind im Revier zu Hause. Zudem bündeln die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen in der Universitätsallianz Ruhr (UA) ihre Kompetenzen und setzen bei der Zusammenarbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie beim Studienangebot für Studentinnen und Studenten bundesweit Maßstäbe.

Mit dem Spitzenforschungszweig der UA aus insgesamt vier naturwissenschaftlichen Research Centern und einem geisteswissenschaftlichen College soll die interdisziplinäre Spitzenforschung "made in NRW" weiter vorangetrieben werden. Die Research Alliance Ruhr hat das Potenzial, eine Modellwirkung für das deutsche Hochschul- und Wissenschaftssystem zu entfalten.

Am Montag, 4. November 2024, eröffneten Ministerpräsident Hendrik Wüst und Wissenschaftsministerin Ina Brandes das erste Research Center "One Health Ruhr" im Rahmen einer Auftaktveranstaltung auf dem Gelände des Weltkulturerbes Zeche Zollverein.

Ministerpräsident Hendrik Wüst: "Die Gesundheitsforschung kommt mehr als jeder andere Forschungsbereich unmittelbar dem Menschen zu Gute. Und gerade deswegen ist es unser Anspruch, die Spitzenposition, die wir in Nordrhein-Westfalen auf diesem Gebiet halten, weiter auszubauen. Mit dem Research Center One Health der Research Alliance Ruhr gehen wir als Land einen weiteren wichtigen Schritt auf diesem Weg. Der Ansatz von One Health Ruhr, Kräfte zu bündeln und auf interdisziplinäre Forschung zu setzen, stärkt den Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen und setzt neue Maßstäbe im internationalen Vergleich. Auch deshalb kommen renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt nach Nordrhein-Westfalen, um hier ihre Forschungsprojekte voranzutreiben."

Bereits in den ersten zwei Jahren seit Gründung konnte die Research Alliance Ruhr mehr als 25 Professuren mit renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern neu besetzen. Insgesamt werden bis 2025 mehr als 50 neue Forschungsprofessuren an den drei Universitäten der Universitätsallianz Ruhr eingerichtet. Für die 14 geplanten Forschungsprofessuren allein für "One Health Ruhr" konnten bereits neun international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen werden, darunter eine Humboldt-Professur.

Wissenschaftsministerin Ina Brandes: "Der Kohleabbau hat den Menschen im Ruhrgebiet und in ganz Deutschland zu großem Wohlstand verholfen. Heute sorgt der Rohstoff Forschung und Wissenschaft für gute Arbeit, Wohlstand und soziale Sicherheit. Deswegen freue ich mich besonders, dass wir das erste Research Center der Universitätsallianz Ruhr auf dem Gelände von Zeche Zollverein eröffnen."

Inhaltlich werden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Research Centers "One Health Ruhr - from Molecules to Systems" mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen Eingriffe ins Ökosystem auf das körperliche und mentale Wohlergehen des Menschen haben. Dazu verfolgt das Research Center einen starken interdisziplinären Ansatz. In einer 360-Grad-Perspektive wird das Thema Gesundheit von der kleinsten Molekülebene bis zum übergeordneten Ökosystem beleuchtet. Die Forschungsbereiche Molekularbiologie und Wasserforschung, molekulare Krebsforschung sowie kognitive Neurowissenschaft sind an den drei beteiligten Universitäten bereits fest etabliert. Durch die Rekrutierung von internationalen Spitzenkräften und der Einrichtung so genannter Brückenprofessuren werden die Teilbereiche nun strukturell miteinander verzahnt.

Prof. Dr. Barbara Albert, Rektorin der Universität Duisburg-Essen zusammen mit Prof. Dr. Dr. h. c. Martin Paul, Rektor der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Manfred Bayer, Rektor der Technischen Universität Dortmund: "Im Zeitalter des Anthropozäns verändern sich die Lebensbedingungen auf unserem Planeten für Mensch und Natur. Insbesondere bei der ganzheitlichen Betrachtung eines so vielschichtigen Themas wie Gesundheit sind die komplementären Stärken der drei Partner der UA Ruhr von zentraler Bedeutung, um vom Molekül über den Organismus bis hin zum System alle Ebenen zu beleuchten. Unserer Verantwortung für die Zukunft werden wir als Universitäten gerecht, indem wir durch innovative und interdisziplinäre Forschung wissenschaftsbasierte Lösungen erarbeiten. Diese Aufgabe ist so wichtig, vielfältig und groß, dass ein Zusammenwirken dreier Universitäten nicht nur sinnvoll, sondern geradezu notwendig ist."

Hintergrund Research Alliance Ruhr

Seit 2021 baut die Universitätsallianz Ruhr - bestehend aus Ruhr-Universität Bochum (RUB), Technische Universität Dortmund und Universität Duisburg-Essen (UDE) - ihre Spitzenforschung international und interdisziplinär mit der Research Alliance Ruhr aus. Dazu gehören vier naturwissenschaftlich-technische Research Center und ein geistes- und sozialwissenschaftliches College.

Neben dem ersteröffneten Research Center "One Health Ruhr" werden die anderen drei Forschungszentren mit den Schwerpunkten "Chemical Sciences and Sustainability", "Trustworthy Data Science and Security" und "Future Energy Materials and Systems" sowie das "College for Social Sciences and Humanities" sukzessive ihre Arbeit aufnehmen.

Die Research Alliance Ruhr wurde von der Ruhr-Konferenz initiiert und wird vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen mit rund 75 Millionen Euro in der Aufbauphase unterstützt. 2025 wird das Land die Research Alliance Ruhr mit weiteren 48 Millionen Euro fördern.

Analytik News (Internet-Publikation) am 05.11.2024

Wie gelöste Elemente neue Korngrenzphasen bilden

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05.11.2024

Mit modernsten Mikroskopie- und Simulationstechniken hat ein internationales Forscherteam systematisch beobachtet, wie Eisenatome die Struktur von Korngrenzen in Titan verändern. Dabei erlebten sie eine Überraschung:
"Eisenatome lagern sich nicht nur an die Grenzfläche an, sondern bilden völlig unerwartete käfigartige Strukturen", erklärt Prof. Dr. Christian Liebscher vom Research Center Future Energy Materials and Systems der Universitätsallianz Ruhr. Ein solches Verhalten hatten die Forscher nicht erwartet. Ihre Ergebnisse sind in der Zeitschrift Science veröffentlicht worden.

Eine neue Art des Entmischungsverhaltens

Die meisten technischen Materialien haben eine polykristalline Struktur: Sie bestehen aus verschiedenen Kristallen, in denen die Atome in einem regelmäßigen Gitter angeordnet sind. Diese Kristalle sind nicht überall gleich ausgerichtet, und die Grenzflächen, die sie voneinander trennen, werden als Korngrenzen bezeichnet.
"Diese Korngrenzen haben einen enormen Einfluss auf die Haltbarkeit und die Gesamteigenschaften eines Materials", sagt Dr. Vivek Devulapalli, der die mikroskopischen Arbeiten der Studie durchgeführt hat. Er fügt hinzu: "Aber wir verstehen nur sehr begrenzt, was passiert, wenn sich Elemente an den Korngrenzen anlagern, und wie sie die Eigenschaften eines Materials beeinflussen."
Der Schlüssel zum Erfolg war die Beobachtung und Modellierung der Strukturen mit atomarer Auflösung. Die Forschenden setzten ihre Ergebnisse aus der Rastertransmissionselektronenmikroskopie mit atomarer Auflösung mit fortschrittlichen Computersimulationen in Beziehung. Ein neuer Algorithmus zur Vorhersage der Korngrenzstruktur konnte die experimentell beobachteten Strukturen erzeugen und ermöglicht somit die Untersuchung ihrer Struktur.
"Unsere Simulationen zeigen, dass wir für unterschiedliche Eisengehalte immer die Käfigstrukturen als die zugrundeliegenden Bausteine der verschiedenen Korngrenzphasen finden. Je höher der Eisengehalt an der Korngrenze ist, desto mehr ikosaedrische Einheiten treten auf und agglomerieren schließlich", erklärt Dr. Enze Chen von der Stanford University. Ein Ikosaeder ist ein geometrisches Objekt mit zwölf Ecken oder Scheitelpunkten, die in diesem Fall von Atomen besetzt sind, und 20 Ebenen.
"Wir haben mehr als fünf verschiedene Strukturen oder Korngrenzphasen derselben Grenzfläche identifiziert, die alle aus unterschiedlichen Anordnungen der gleichen ikosaedrischen Käfigeinheiten bestehen", fügt Dr. Timofey Frolov hinzu, der die Berechnungen der Studie leitete.

Quasikristallin-ähnliche Korngrenzphasen

Bei näherer Betrachtung der Käfigstrukturen zeigte sich, dass die Atome eine ikosaedrische Anordnung einnehmen, bei der sich die Eisenatome im Zentrum des Ikosaeders befinden und die Titanatome seine Ecken besetzen. "Die ikosaedrischen Käfige ermöglichen eine dichte Packung von Eisenatomen, und da sie aperiodische Cluster bilden können, kann mehr als die zwei- bis dreifache Menge an Eisen an der Korngrenze untergebracht werden", erklärt Vivek Devulapalli. "Es sieht so aus, als ob Eisen in quasikristallinen Korngrenzphasen gefangen ist", fügt Chen hinzu. "Dies wird auf die Eigenschaften der ikosaedrischen Käfige zurückgeführt", sagt Liebscher, "und wir müssen nun Wege finden, um zu untersuchen, wie sie die Grenzflächeneigenschaften und damit das Materialverhalten beeinflussen."

Neue Wege für das Materialdesign

Das Verständnis und die Kontrolle der Bildung ikosaedrischer Korngrenzphasen mit unterschiedlichen Strukturen und Eigenschaften kann möglicherweise dazu genutzt werden, die Eigenschaften von Werkstoffen selbst maßzuschneidern. Die Forschenden wollen nun systematisch untersuchen, wie diese neuartigen Korngrenzzustände genutzt werden können, um das Materialverhalten zu beeinflussen, eine bestimmte Materialfunktionalität einzustellen und Materialien widerstandsfähiger gegen Degradationsprozesse zu machen.

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Quelle: Universität Bochum

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