Rubrik im PS: | Geisteswissenschaften / Gesellschaftswissenschaften / Politikwissenschaften / Bildungswissenschaften |
Autor: | Wolfgang Kintscher |
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Trump oder Harris? In Essen fiebern 1300 US-Amerikaner mit
Aber nicht nur sie: Will Wright und Professorin Barbara Buchenau, zwei Essener blicken auf eine US-Wahl zwischen Politik, Sorgen und Entertainment.
Essen.
Rot oder Blau? Donald Trump oder Kamala Harris? Ein republikanischer US-Präsident oder eine demokratische Präsidentin? An diesem Dienstagabend gilt's, aber wer sich Will Wright vorstellt, wie er da mit einer Batterie von Hotdogs und Cola, Donuts und eimerweise Popcorn vor dem Fernseher Platz nimmt und sich die Nacht um die Ohren schlägt, ist schief gewickelt. "Nicht zielführend", sagt der 33-jährige US-Amerikaner augenzwinkernd. Er wird schlafen gehen und als Frühaufsteher am Mittwochmorgen die Glotze einschalten, CNN oder die anderen, das ist früh genug. Vielleicht gibt's dann ein Ergebnis.
Oder auch nicht. So ist das bei einer Wahl in einem Land, das so groß ist wie die Vereinigten Staaten und so vielfältig, auch was die Wahlkonditionen in den verschiedenen Bundesstaaten angeht. Natürlich hat auch er vor ein paar Tagen seine Stimme abgegeben, sie ging an seinen Heimatstaat Ohio, wo er in der 40.000-Einwohner-Stadt Delaware aufwuchs. Seit 2016 ein eher republikanischer Bundesstaat, rot also. "Ich weiß, dass es wahrscheinlich nichts nützt." Trotzdem.
Er wird bei dieser Wahl, die so knapp ausfallen dürfte wie noch keine zuvor, nicht der einzige gewesen sein, der als Wähler "abroad", sprich: im Ausland, sein Votum abgibt. Immerhin rund 1300 Menschen haben allein in Essen einen US-amerikanischemn Pass, 800 von ihnen sind - Stand 30. September - Doppelstaatler. Eine Bevölkerungsgruppe, die in der Stadt so groß ist wie etwa die der Ungarn oder der Portugiesen.
Aber keines dieser Länder erfreut sich auch nur annähernd ähnlichen Interesses. Will Wright ist buchstäblich begeistert, wie viele Deutsche sich hier ernsthaft und vertieft mit der US-Wahl und den Vereinigten Staaten an sich befassen: Eine Heimat, die er vor zehn Jahren hinter sich ließ, um in Deutschland, Belgien und Irland zu wohnen. Heute lebt er mit seiner Familie in Essen-Schönebeck, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ruhr-Universität Bochum am dortigen Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht.
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Was er über die deutsche Sicht auf die USA denkt? "Im Großen und Ganzen liegt Ihr richtig", meint Wright - erstaunt über das vielerorts vorhandene detaillierte Verständnis dessen, was da auf der anderen Seite des großen Teiches vonstatten geht. Manche Sorgen, was die politische Spaltung seines Heimatlandes angeht, teilt er voll und ganz, "Das ist nicht nur die Schuld der Politik, es ist auch die Schuld der Medien." Bei anderen empfiehlt er, nicht alles für bare Münze zu nehmen.
Es sei eben "ein bisschen Entertainment dabei." Tatsächlich machen die Deutschen "das mit den Fähnchen" in überschaubarem Ausmaß, und ein Vorredner, der den Kanzlerkanidaten preist und dabei im kalkulierten Überschwang sein T-Shirt zerreißt, hat man bei SPD oder CDU auch noch nicht gesehen. "Sehr diplomatisch, sehr zurückhaltend", sei die deutsche Politik, sagt Wright: "Es eskaliert nicht."
In den USA fürchten viele das Gegenteil. "Erstmals in der globalen Erfolgsgeschichte westlicher Demokratien ist dies eine Wahl, bei der es um die Zukunft demokratischer Prozesse gehen wird", betont Barbara Buchenau von der Uni Duisburg-Essen. Sie arbeitet dort als Professorin für Nordamerikanische Kulturstudien, und ihr schwant: "Dieses Mal wird weniger gefiebert als gebibbert: Die Androhung von Gewalt liegt in der Luft, selbst der Einsatz des Militärs ist von Donald Trump ins Spiel gebracht." Zugleich glaubten einfach zu viele Menschen, auf eine gleichberechtigte Teilhabe und Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen verzichten zu können. "Darin", so Buchenau, "liegt auch für die weiteren nationalen Wahlen etwa in Deutschland die enorme Brisanz der anstehenden Wahl. Wie geht sie aus und wird der Ausgang akzeptiert"?
Vielleicht hängt das auch mit dem Umstand zusammen, dass es vor allem eine zugespitzte Persönlichkeits-Wahl ist, es geht um Sympathie, um Emotionen, die bedient werden oder eben nicht: "George W. Bush war 2000 der Kandidat, mit dem jeder ein Bier trinken gehen wollte", sagt Will Wright, "Al Gore galt als zu politisch, zu langweilig, als nicht charismatisch genug". Wo die Unterschiede nicht offensichtlich sind, wird nachgeholfen, mit "Negative Campaigning", also einer Form politischen Marketings, bei dem versucht wird, die Konkurrenz in ein schlechtes Licht zu rücken.
Mit Folgen für eine aufgeheizte Stimmung, die den Wissenschaftler Will Wright auch beruflich interessieren: Wird es am Ende Gewalt geben? Von denjenigen, die ein knappes Ergebnis nicht akzeptieren mögen? Und überhaupt: Wer hat die Nase vorn? Da hält sich der junge Familienvater lieber zurück: 2016 habe er prophezeit, dass Donald Trump auf keinen Fall die Präsidenten-Wahl gewinnen werde. "Vier Jahre lang musste ich mir das vorhalten lassen." Kein Tipp also. Nur der Hinweis auf ein Zitat von Winston Churchill: "Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun - nachdem sie alles andere ausprobiert haben."
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