Rubrik im PS: | Geisteswissenschaften / Gesellschaftswissenschaften / Politikwissenschaften / Bildungswissenschaften |
Autor: | Karina Sachs |
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"Korte & Rink" zur Lage der Ampel: Die Hütte brennt nicht
Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sieht das Thesenpapier von FDP-Finanzminister Lindner nicht als Scheidungspapier in der Koalition, sondern als Mobilisierungsversuch.
Berlin. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf sieht in dem kürzlich veröffentlichten 18-seitigen Thesenpapier von Finanzminister Christian Lindner (FDP) keinen Hinweis auf ein nahes Ende der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Es handele sich, anders als von vielen politischen Beobachtern behauptet, "nicht um eine Scheidungsurkunde". Die SPD-Ko-Vorsitzende Saskia Esken hatte am Wochenende zum Zustand der Koalition gesagt: "Es brennt derzeit die Hütte." Sie reagierte damit auf Forderungen des FDP-Finanzministers nach einem grundlegenden Kurswechsel in der Ampel-Regierung.
Korte: Es geht der FDP darum, Themen zu testen
Korte interpretierte im Gespräch mit VRM-Chefredakteur Dennis Rink das Lindner-Papier als "Mobilisierungsversuch für die FDP-Anhänger". Es richte sich "an alle Gelben, damit das Gelbfieber wieder ausbricht", sagte der Politikwissenschaftlicher in der aktuellen Folge des VRM-Podcasts "Korte & Rink". Es gehe der FDP darum, mit Blick auf den bald beginnenden Bundestagswahlkampf "Themen zu testen". Auch den direkten Weg in die Öffentlichkeit zu wählen, sei laut Korte die bekannte Dramaturgie: Das spitze die Thematik zu und werte die FDP in den Augen ihrer Anhänger in der Koalition auf. "Das sind Rituale, die wir kennen", meinte Korte.
Hier geht es direkt zur aktuellen Folge Korte & Rink:
Beim Fortbestand der Koalition drehe sich alles um den Bundeshaushalt, der in den kommenden Wochen verabschiedet werden muss. "Jeder Koalitionspartner positioniert sich bei der Suche nach den noch fehlenden Milliarden öffentlich. Das führt zu einer gefühlten Eskalation, ohne dass es eine Konfliktlösungsstrategie gibt." Korte sagte, er sei sich sicher, dass die fehlenden 13 Milliarden "irgendwoher kommen." Er glaube nicht, dass Lindner als "weglaufender Parteivorsitzender" in die Geschichte eingehen wolle. Trotz der Streitereien in der Koalition habe diese etwa 70 Prozent ihrer Vorhaben abgearbeitet. Dies werde der Öffentlichkeit aber nicht kommuniziert, betonte Korte.
Das "aggressive Schweigen" des Kanzlers
Kritisch setzte sich der Politikwissenschaftler mit der Kommunikationsstrategie von Bundeskanzler Olaf Scholz auseinander. Er sprach von "Erzählgeiz" und "aggressivem Schweigen" - beides sei für die Koalitionspartner schwierig und werde von vielen Wählern als Arroganz verstanden. Korte betonte die Notwendigkeit moderner Kooperations-, Führungs- und Kommunikationsansätze, um eine integrative statt destruktive Zusammenarbeit in der Koalition zu ermöglichen. Nur so hätten die Ampel-Parteien noch eine Chance bei den Wählern. In Richtung FDP meinte Korte: "Die Rolle als Opposition in der Regierung honorieren Wähler in Deutschland nicht." Mit "rebellischen Gelben" seien auch Mehrheiten jenseits von SPD und Grünen schwer vorstellbar.
Korte glaubt zwar nicht an ein baldiges Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition. Einen echten Neustart traut er ihr jedoch nicht mehr zu. Dabei sehnten sich die Menschen nach einem positiven Signal. Ein solches könne auch zu einem Stimmungswandel in der Wirtschaft beitragen.
Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte und VRM-Chefredakteur Dennis Rink sprechen in ihrem Podcast jeweils dienstags über Politik in Deutschland, Rheinland-Pfalz und Hessen. Alle Folgen von "Korte & Rink" können bei " " abonniert werden, ebenso auf " ", " " und " ".