Rubrik im PS: | Hochschule / Rektorat / Hochschulpolitik |
Autor: | Henry Albrecht |
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Wie Islamlehrer Ahmet Ü. das Bildungssystem täuschte und zahlreiche Mitstreiter eingeschleuste
Der Fall Ahmet Ü. zeigt auf alarmierende Weise die Schwächen im Kontrollsystem deutscher Behörden. Jahrelang konnte er mit gefälschten Titeln in NRW-Schulsystem Karriere machen und für die Einstellung neuer Islamlehrer mit keinerlei Referenzen sorgen.
Der Skandal um Ahmet Ü., der die nordrhein-westfälische Bildungslandschaft täuschte, wirft ein Schlaglicht auf die Schattenseiten des deutschen Beamtentums und die Lücken in den Kontrollmechanismen öffentlicher Institutionen. Ü., dessen Lebenslauf mit falschen Titeln und akademischen Abschlüssen gespickt war, arbeitete über Jahre hinweg als Islamberater für das Schulministerium NRW und stieg dabei vom einfachen Studienrat bis zum Studiendirektor auf. In seiner Zeit als Berater setzte sich Ü. aktiv für eine Reintegration von Ditib in die neu gegründete Kommission ein, die anstelle des bisherigen Beirats das Projekt des islamischen Religionsunterrichts fortführen sollte.
Ditib, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, steht seit Jahren in der Kritik. Der Verband, der direkt der türkischen Religionsbehörde unterstellt ist, geriet spätestens 2017 ins Visier, als bekannt wurde, dass Ditib-Imame mutmaßliche politische Gegner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausspionierten und Informationen nach Ankara weiterleiteten.
Im Zuge des Skandals um Ahmet Ü. gerieten nicht nur seine eigenen falschen Qualifikationen in den Fokus, sondern auch die Rolle, die er bei der Einstellung anderer Personen im Schulministerium Nordrhein-Westfalens spielte. Dabei steht insbesondere die Vergabe von Lehrerlaubnissen, sogenannten Idschazas, im islamischen Religionsunterricht im Zentrum der Kritik.
Eine Idschaza ist eine Lehrerlaubnis, die notwendig ist, um islamischen Religionsunterricht zu erteilen. Diese Erlaubnis setzt in der Regel ein abgeschlossenes Lehramtsstudium und ein Referenzschreiben einer Moscheegemeinde voraus. Im Fall von Ahmet Ü. stellte sich jedoch heraus, dass mindestens eine dieser Lehrerlaubnisse gefälscht war.
Während des Gerichtsprozesses gegen Ü. wurde aufgedeckt, dass er möglicherweise weitere Idschazas ausgestellt haben könnte, die nicht den offiziellen Regularien entsprachen. Laut Aussage einer früheren Beiratsvorsitzenden vor Gericht war sie die einzige Person, die berechtigt war, solche Lehrerlaubnisse per Unterschrift zu legitimieren. Dennoch tauchten im Laufe der Ermittlungen Dokumente auf, die nahelegten, dass Ü. diese Befugnis möglicherweise missbraucht hatte.
Bereits 2017 bewarb sich der gebürtige Duisburger mit türkischen Wurzeln erfolgreich an der Universität Duisburg-Essen als Lehrkraft. In seiner Bewerbung schrieb er selbstbewusst: "Die beruflichen und akademischen Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfülle ich." Doch, wie sich später herausstellen sollte, waren seine akademischen Referenzen ebenso erfunden wie sein Doktortitel.
Der steile Aufstieg von Ahmet Üs blieb über Jahre hinweg unentdeckt, bis die Welt 2021 Ungereimtheiten in seinem Lebenslauf aufdeckten. Was folgte, war ein juristisches Nachspiel, das den Hochstapler schließlich vor Gericht brachte. Doch trotz seiner Verurteilung zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung bleibt Ü. bis heute im Besitz von rund 711.000 Euro, die er sich durch seine falschen Angaben erschlichen hatte.
Die FDP-Landtagsabgeordnete Franziska Müller-Rech bezeichnete die Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf, auf finanzielle Rückforderungen zu verzichten, als "Skandal". Ihrer Meinung nach hätte Ü. "deutlich weniger verdient", wenn man ihn auf Grundlage seines tatsächlichen Lebenslaufs eingestellt hätte. Auch die SPD fordert Konsequenzen und möchte die Landesregierung zur Verantwortung ziehen.
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Das Ministerium selbst, das lange von seiner Arbeit überzeugt war, zeigt sich heute kritisch. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dass die Zusammenarbeit mit Ü. nun "rückblickend neu und somit kritisch zu bewerten" sei.
Auch die Universität Duisburg-Essen und die Bezirksregierung Münster gerieten im Zuge der Ermittlungen in die Kritik. Die gefälschten Dokumente, die Ü. für seinen Aufstieg nutzte, wurden an beiden Institutionen nicht auf ihre Echtheit überprüft. Besonders peinlich ist dabei, dass eine Promotionsurkunde, die Ü. vorlegte, einen offenkundigen Fehler im Titel trug, der jedoch niemandem auffiel.
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