Dorstener Zeitung, Ruhr Nachrichten (So.) vom 11.06.2024, S. 12 (Wochenzeitung / Sonntag, Dorsten)
Rubrik im PS: | Naturwissenschaften / Medizin |
Autor: | Valerie Misz |
Auflage: | 3.010 |
Reichweite: | 10.053 |
Ressort: | Kirchhellen |
Umweltschutz am Hof Kaufmann: Schleiereulen und die Artenvielfalt
Schleiereulen sind fast überall verbreitet. Geeignete Brutplätze werden seltener.
Am Hof Kaufmann in Kirchhellen arbeiten Mensch und Natur zusammen.
Vor wenigen Jahren hörten Dorothe und Markus Kaufmann unbekannte Rufe auf ihrem Hof an der Lehmschlenke in Kirchhellen. "Es waren Schleiereulen", erinnert sich der Landschaftsarchitekt.
Sie bevorzugen Brutplätze innerhalb menschlicher Siedlungen, in Kirchtürme oder Scheunen. Die sind mittlerweile zum Großteil bautechnisch versiegelt. "Die Eulen finden keinen Platz für einen Unterschlupf", so Kaufmann.
Kurzerhand baute das Paar einen Brutkasten in eine der Scheunenwände ihres Garten- und Landschaftsbetriebes.
Dabei achteten sie darauf, dass der Unterschlupf mit der richtigen Bauart windgeschützt und geeignet für die Schleiereulen ist. Ihr neues Heim haben die Eulen direkt angenommen. Seither lebt das Eulenpaar bei ihnen am Hof und brütet bis zu dreimal im Jahr.
Vorteile und Nachteile nutzen
Nicht nur den Brutkasten muss das Ehepaar Kaufmann allerdings regelmäßig reinigen. "Naturschutz gibt es nicht zum Nulltarif", sagt Markus Kaufmann. Anhand der regen Hinterlassenschaften kann man auf dem Gelände sehr gut nachvollziehen, wo sich die Schleiereulen aufhalten. Ihre Anwesenheit hat positive Einflüsse.
So jagen die Schleiereulen zum Beispiel auf der angrenzenden Weide, auf dem das Damwild der Familie lebt. Da die Wiese dort durch das Fressverhalten der Tiere niedrig gehalten wird, ist es das ideale Jagdgebiet für sie. "Kleine Nagetiere wie Mäuse können die Eulen hier hervorragend schnappen", erklärt Dorothe Kaufmann.
Der Einsatz von Mäusefallen hingegen sei nicht sinnvoll und mit Risiken verbunden. Gift und Fallen sind grausam und können auch zum ungewollten Tod anderer Tiere führen. "Wir versuchen, mit der Natur zusammenzuarbeiten", sagen die zwei Umweltfreunde. "Die Landwirtschaft ist aber auch nicht unser Hauptgeschäft, deswegen können wir uns leichter ökologisch ausrichten."
Wissenschaftliche Untersuchung
Sie machen sich also die Natur zunutze, um Schädlinge zu bekämpfen. Dabei verzichten sie auf jegliche Art von Pestiziden und Spritzmitteln. Insgesamt 50 Nistkästen für andere Vogelarten hat die Familie aufgehängt.
Dass sich der Einsatz lohnt, haben sie jetzt auf Papier. Schleiereulen verdauen die Knochenreste nämlich nicht, sondern speien einen großen Anteil in Form von "Gewölle" wieder aus.
Im Zeitraum zwischen 2019 und 2022 haben Studenten der Uni Duisburg/Essen diese Speiballen der Schleiereulen von einem Privathaus in Oberhausen, dem Heidhof und der Scheune in Kirchhellen eingesammelt und auf Skelettanteile von Wirbeltieren untersucht. Dr. Marcus Schmitt von der Universität hat nun im "Natur und Heimat"-Heft des LWL-Museums für Naturkunde einen umfangreichen Artikel über die Ergebnisse veröffentlicht.
Am Hof Kaufmann konnten insgesamt "632 Beutetierindividuen aus der Gruppe der Wirbeltiere" festgestellt werden, heißt es in dem Artikel. Besonders stark vertreten sind hier die Feldmaus, Waldmaus und Hausspitzmaus.
"Wir freuen uns natürlich, dass wir hier so eine Artenvielfalt vor Ort haben", so Markus Kaufmann. Oft beobachteten sie auch schon seltene Vögel.
Auf einem Teil der Damwild-Fläche soll bald eine Streuobstwiese entstehen. "Für eine gute Artenvielfalt sind sie besonders wertvoll", führt das Paar aus. Früher gab es sie noch an jeder Ecke, mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft verschwanden sie aber. Totholz, Baumhöhlen sowie Früchte und Blüten bieten Insekten, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Kleinsäugern einen Lebensraum.
An der Wiese steht eine Sitzecke, die von zahlreichen Menschen zur Erholung und Beobachtung der Tiere genutzt wird. "Insbesondere Kinder können hier an die Natur herangeführt werden und ein Interesse dafür entwickeln", freuen sich die Kaufmanns.
Bald gibt es übrigens Nachwuchs. "In etwa vier Wochen werden die Jungtiere über die Weide flitzen", verrät Dorothe Kaufmann.