Rubrik im PS: | Naturwissenschaften / Medizin |
Autor: | k.A. |
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„Vision Zero“-Kongress bei BILD
Lauterbach plant eine Art Tinder für Krebsstudien
Top-Experten aus Medizin, Forschung und Politik zu Gast bei BILD
Jeder Krebs-Tod ist einer zu viel! Darüber waren sich die Visionäre der Krebs-Medizin am Montag beim großen „Vision Zero“-Krebskongress bei BILD einig!
Zum fünften Mal kamen die Top-Experten aus Forschung, Industrie und Politik im Berliner Axel-Springer-Hochhaus zusammen, um darüber zu diskutieren, wie man der Vision Zero näher kommen kann. Also dem Ziel, jeden unnötigen Krebs-Tod zu verhindern.
Der Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (61, SPD) erklärte beim Kongress seinen Plan für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Er betonte dabei vor allem die besondere Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI): „Wir sind am Anfang einer Revolution.“
Laut ihm könne KI künftig der „geduldige Arzt, der unfassbar viel gelesen hat“ sein. Das könne zu mehr Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung führen, weil dieser geduldige Arzt dann auf dem Smartphone unbegrenzt zugänglich wäre.
Auch bei der Auswertung von Studiendaten kann KI helfen. Der Minister setzt sich dafür ein, dass diese schneller beim Patienten ankommen. Ein Plan: Anwendungen, die Patienten und Forscher wie bei Tinder „matchen“. Krebs-Patienten werden per Pushnachricht über Studie, für die sie infrage kommen, informiert.
Gemeinsam dem Krebs die Rote Karte zeigen
Prof. Christof von Kalle, wissenschaftlicher Leiter des Kongresses, mahnte zu Beginn der Veranstaltung: „Es gibt nicht eine große Maßnahme, mit der wir den Krebs besiegen können – sondern viele kleine.“ Er verwies dabei auf Beispiele aus anderen Ländern wie ein Rauchverbot gegen
Lungenkrebs in Großbritannien oder ein Impfprogramm gegen Gebärmutterhalskrebs in Schottland.
Viele kluge Köpfe, eine wichtige Vision: Beim großen „Vision Zero“-Summit bei BILD kamen am Montag (10. Juni) Top-Experten aus Medizin, Forschung, Industrie und Politik zusammen Foto: Ralf Günther
Judith Pirscher (57, FDP), Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, betonte in ihrem Grußwort: „Auch in der Krebsforschung ist das geeinte Europa ein großer Vorteil. Wenn wir die Kräfte bündeln, schaffen wir die Vision Zero und stellen mit der Roten Karte den Krebs vom Platz.“
Vor fünf Jahren startete das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit vielen weiteren Partnern eine bisher einmalige Initiative: die Nationale Dekade gegen
Krebs. Ihr Ziel: Einen gemeinsamen Masterplan schaffen, um die Krebsforschung entscheidend voranzubringen.
Prof. Michael Hallek, Vorstand von Vision Zero und Direktor der Klinik für Innere Medizin der Uniklinik Köln und des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO), ordnete während seines Impulsvortrags ein: „Wir müssen in Deutschland zusammenarbeiten, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen.“ Dazu gehöre auch das Eindämmen bürokratischer Hürden: „Es muss klar werden, dass Bürokratie schwere Nebenwirkungen haben kann – bis zu tödlichen Nebenwirkungen, wenn sie uns zu langsam macht.“
Prof. Hallek betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Forschern, Industrie und Politik sei. Und dass man Patienten dringend mit ins Boot holen muss: „Krebs ist ein großer Gegner, den wir nur gemeinsam bekämpfen können.“
TV-Arzt und Kabarettist Eckhart von Hirschhausen moderierte die Runde, in der es darum ging, was die Initiative schon erreicht hat. Ein großer Gewinn sei dabei die Zusammenarbeit mit Patienten. Hedy Kerek-Bodden hat den Krebs besiegt und sagt heute, sie würde sich einen weiteren Ausbau der Patiententeilhabe wünschen. „Wir können dabei noch so viel vom Ausland lernen.“
Auch Klaus Kronewitz hat den Krebs überlebt und regt an, Männer zu Vorsorgeuntersuchungen einzuladen, um die Hemmschwelle zur Prävention zu senken.
In der anschließenden Panel-Diskussion gab Prof. Michael Baumann, Vorstand vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg, einen Ausblick nach fünf Jahren der Nationalen Dekade: „Wir wollten nicht, dass nach zehn Jahren ein langes Programm endet – sondern etwas erreichen, was auch strukturell für die Zukunft Möglichkeiten gibt.“
Das Wissen sei überall gleich, doch die Anwendung unterscheide sich. Jeder Einzelne könne etwas zur Prävention tun, aber die Politik müsse auch die Rahmenbedingungen anpassen.
Auch seltene Krebserkrankungen besser behandeln
Eine weitere Vision für die Zukunft: Tumore noch früher erkennen und besser behandeln. Auch wenn sie zu den ganz seltenen Krebsarten gehören. Denn: Jeder vierte Patient in Deutschland hat die Diagnose eines seltenen Krebses. Problematisch ist, dass viele Mediziner ihn nicht erkennen.
Markus Wartenberg von der Patientenvertretung erzählte etwa, er habe viele Patienten erlebt, bei denen die Behandlung zu spät oder falsch erfolgte. „Wir brauchen frühe und richtige Diagnosen“, betont er, es gebe sehr vieles, was besser gemacht werden müsse, damit auch Behandlungen zeitnah und richtig erfolgen können.
„Denn der erste Behandlungsschritt hat keine zweite Chance“, ergänzt Prof. Angelika Eggert, Direktorin der Klinik für Kinderonkologie und -hämatologie der Charité Berlin. Sie moderierte das Panel.
Prof. Peter Reichardt, Chefarzt der Onkologie und Palliativmedizin am Helios-Klinikum Berlin-Buch, fordert: „Die zweite Hälfte der Dekade sollte auch Raum für die seltenen
Tumorerkrankungen bieten.“
Denn: 47-Prozent-Überlebensrate bei seltenen Krebsarten sei inakzeptabel, da sind sich die Experten einig.
Neue Therapien bei Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs?
Dass die Krebs-Medizin immer individueller wird, zeigte sich in der vergangenen Woche: Fast stündlich gab es neue gute Nachrichten vom ASCO, dem weltweit größten Krebskongress in Chicago. Prof. Martin Schuler, Direktor des Westdeutschen Tumorzentrums an der Uniklinik Essen: „Neue Daten zeigen, dass wir jetzt wirklich alle Patienten mit Lungenkrebs auf Biomarker hin untersuchen müssen, weil es selbst für seltene Unter-Gruppen deutliche Überlebensvorteile mit zielgerichteten Medikamenten gibt.“
Heißt: Patienten sollten wirklich in ein auf Lungenkrebs spezialisiertes Zentrum gehen, wo solche genetischen Veränderungen immer untersucht werden. Als Beispiel nannte Prof. Schuler Lungenkrebs, der „ALK-positiv“ ist. Prof. Schuler: „Mit dem Wirkstoff Lorlatinib gab es nach 5 Jahren bei 60 Prozent der Patienten kein Fortschreiten der Erkrankung. Normal war bisher, dass die Krankheit im Mittel bereits nach acht Monaten wieder kam.“ Eine Entwicklung also, die Mut macht!
Auch neueste Therapieansätze bei Brustkrebs und Prostatakrebs stellten die Top-Experten mit Begeisterung vor.
Prof. Martin Schuler berichtete von neuesten Forschungsergebnissen zum Lungenkrebs Foto: Ralf Günther
Prof. Nadia Harbeck, von der LMU München, berichtete unter anderem von einer neuen Methode, bei der die Prognose beim Brustkrebs mithilfe einer Künstlichen Intelligenz gestellt werden kann. „Selbst bei besonders aggressiven Tumoren konnte das die Prognose begünstigen.“ Beim Prostatakrebs hingegen werde auch die Nuklearmedizin immer wichtiger, sagte PD Dr. Jozefina Casuscelli, LMU München: „Nicht nur in der Diagnostik, auch in der Therapie.“
Beim großen „Vision Zero“-Summit am 10. und 11. Juni kommen die Top-Experten der Onkologie im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin zusammen