Rubrik im PS: | Wettbewerber |
Autor: | Rieke Beckwermert |
Auflage: | 51.309 |
Reichweite: | 119.550 |
Ressort: | SH Wetter |
Post-Covid-Probleme: Beratungsbedarf ist hoch
Kassenärztliche Vereinigung legt neue Zahlen zur ambulanten Behandlung Betroffener vor - Initiative spricht heute im Landtag
Die Kassenärztliche Vereinigung SH (KVSH) meldet neue Zahlen zu Post-Covid: Frauen sind demnach besonders belastet. Betroffene wollen am Donnerstag, 16. Januar 2025, im Landtag in Kiel über Mängel in der Versorgung in Schleswig-Holstein berichten. Das sind ihre Forderungen.
Fünf Jahre nach dem Beginn der Pandemie spielen das Coronavirus und die Langzeitfolgen von Covid-19 in Schleswig-Holstein weiterhin eine große Rolle. Erstmals liegen konkrete Zahlen vor.
Müdigkeit, Heiserkeit und Schlafstörungen zählen nach einer aktuellen Auswertung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) zu den häufigsten Symptomen von mehreren tausend Patienten mit Post-Covid-Diagnose im Norden.
Der Beratungsbedarf ist nach Corona offenbar gewachsen: "Wir spüren die große Betroffenheit in Schleswig-Holstein daran, dass sich in den vergangenen zwei Jahren bei uns die Beratungen und Verfahren zu Langzeitfolgen von Covid-19 dramatisch erhöht haben", berichtet Ronald Manzke, Geschäftsführer im Sozialverband VdK Nord.
Heute ist die Situation von Patienten mit Post-Covid-Syndrom (PCS) und dem Erschöpfungssyndrom ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) bei einer Anhörung im Sozialausschuss Thema im Landtag in Kiel.
Schon im Vorfeld der Anhörung wird Kritik an der medizinischen Versorgung Betroffener in Schleswig-Holstein laut. Nach einer aktuellen Umfrage der Initiative "PiEr" (Post-infektiöse Erkrankungen) unter knapp 200 Erkrankten fühlen sich viele Patienten mit PCS und ME/CFS in SH alleingelassen, unverstanden und mitunter als psychisch krank abgestempelt.
Hausärzte seien "bemüht", oft aber nur unzureichend über die Erkrankung informiert. Eine Folge: "Viel Frust". Der entstehe auch häufig durch monatelange Wartezeiten auf einen Termin in den neuen Ambulanzen für Post-Covid-Patienten am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH).
Barbara von Eltz von der Initiative "PiEr" will darum auf Grundlage der Befragung Wünsche an den Sozialausschuss adressieren. Dazu zählen etwa die finanzielle Unterstützung für die Forschung, eine Integration der Erkrankung in Lehrpläne und Weiterbildung, eine verpflichtende Schulung von Hausärzten, Aufklärung der Bevölkerung, Aufbau von wohnortnahen Versorgungsstrukturen und eine Anerkennung der Erkrankung.
Vertreter der Ambulanzen am UKSH, aber auch anderer Kliniken, sowie von Ärztekammer und Krankenkassen wollen im Sozialausschuss ihre Sicht auf die Versorgung darlegen.
Ein Schlaglicht auf die ambulante Behandlung von Patienten mit Post-Covid-Syndrom in Schleswig-Holstein liefert die KVSH.
Demnach waren im ersten Quartal des Jahres 2024 insgesamt 5307 Männer und Frauen im Norden mit Post-Covid-Zustand ambulant in ärztlicher Behandlung - 0,21 Prozent aller gesetzlich Versicherten.
Das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung hatte im vergangenen Jahr Auswertungen zur Zahl der Betroffenen mit einer Post-Covid-Diagnose (ICD-10-Code U09.9!) in Schleswig-Holstein vorgenommen.
Das sind die Erkenntnisse aus der Stellungnahme zu Post-Covid und ME/CFS in SH:
Die höchste Zahl an Patienten wurde im zweiten Quartal 2022 dokumentiert (7878).
73,5 Prozent dieser Betroffenen sind bereits über einen längeren Zeitraum belastet (mindestens zwei Quartale).
Frauen sind überproportional von Post-Covid betroffen.
76 Prozent der Patienten wurden hausärztlich versorgt, 16 Prozent internistisch.
Die häufigsten Symptome von Post-Covid bei Patienten in SH sind Ermüdung/Erschöpfung, Halsschmerzen/Heiserkeit und Schlafstörungen.
In Schleswig-Holstein leiden zusätzlich 4878 gesetzlich Versicherte (Stand erstes Quartal 2024) an einem "chronischen Fatigue-Syndrom".
Aufgrund der vielfach zunächst unspezifischen Symptome ist es aus Sicht der KVSH eine medizinische Herausforderung, Post-Covid- oder ME/CFS-Erkrankungen sicher zu erkennen und zuzuordnen.
Grundsätzlich hält die KVSH es angesichts der persönlichen Belastung für die Betroffenen für wichtig, dass sich alle Akteure in der Gesundheitsversorgung gemeinsam um eine "weitere Verbesserung der Behandlung und Begleitung" dieser Patienten bemühen.
Zitat-Text:
Die Beratungen und Verfahren zu Langzeitfolgen von Covid-19 haben sich dramatisch erhöht.
Ronald Manzke, Geschäftsführer Sozialverband VdK Nord
Abbildung: Ein Patient sitzt in einer Klinik, in der Long-Covid-Patienten behandelt werden, zur Überprüfung seiner Lungenfunktion in einem sogenannten Bodyplethysmographen: Der Sozialausschuss soll sich heute unter anderem mit der Situation von Post-Covid- und ME/CFS-Erkrankten in Schleswig-Holstein beschäftigen.
Fotos: Sina Schuldt/dpa/Peter Himsel