Holsteinischer Courier vom 16.01.2025, S. 18 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Neumünster)
Rubrik im PS: | 6K-Klinikverbund Schleswig-Holstein – Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster |
Auflage: | 6.798 |
Reichweite: | 15.839 |
Ressort: | Lokales |
"In Neumünster sieht man als Notarzt alles"
Menschen im Einsatz Vom Herzinfarkt bis zum geklemmten Finger – was Björn Loof als Retter so alles erlebt
Benjamin Steinhausen
Björn Loof (42) lebt im Kreis Plön und arbeitet seit 2017 als Notarzt in der Rettungswache der Berufsfeuerwehr Neumünster. In unserer Reihe "Menschen im Einsatz" erzählt er, wie er zu dem Beruf gekommen ist, was er daran besonders mag – und welche Schattenseiten es gibt.
Wo arbeiten Sie, wenn Sie nicht als Notarzt auf den Straßen von Neumünster im Einsatz sind?
Seit 2015 arbeite ich als Anästhesist im Friedrich-Ebert-Krankenhaus. Seit 2017 habe ich meinen Schein, um als Notarzt im Dienst sein zu können. Die 12- oder 24-Stunden-Notarzt-Dienste stehen dann ganz normal in meinem Dienstplan. Ich fahre nicht nur in Neumünster und im Umland Einsätze, sondern als Honorararzt auch im Kreis Plön.
Wie sind Sie denn überhaupt in den medizinischen Bereich gekommen?
Das war eigentlich mehr Zufall. Ich wollte immer Pilot werden. Meinen Zivildienst habe ich dann beim Rettungsdienst gemacht und in dem Zuge eine Ausbildung zum Rettungsassistenten. Spaßeshalber habe ich mich für ein Medizinstudium beworben und wurde zugelassen. Während meines Studiums habe ich als Rettungsassistent gearbeitet. Das alles hat meinen Weg geebnet. Um als Notarzt arbeiten zu können, muss man schon mindestens zwei Jahre als Arzt tätig gewesen sein. Ich musste an einem Theoriekursus teilnehmen und mindestens 50 Einsätze als zweiter Notarzt begleiten.
Was reizt Sie an der Arbeit als Notarzt?
Mich hat das nicht mehr losgelassen. Es ist ein unglaublich spannender Beruf. Jeder Tag ist anders, ich muss viel und schnell entscheiden und auch mal improvisieren. Notärzte müssen das gesamte medizinische Spektrum abdecken, vom Herzinfarkt bis zum schweren Verkehrsunfall.
Welche Infos haben Sie, wenn Sie eine Alarmierung bekommen?
Oft nur sehr wenige. Zum Beispiel Name, Anschrift und ein Stichwort, wie "Schlaganfall". Nicht selten stellt es sich vor Ort aber ganz anders dar. Anrufer sind ja auch aufgeregt. Wir haben mal die Meldung erhalten, dass irgendwo eine Person liegt. Wir waren mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt hingefahren. Am Ende stellte sich heraus, dass die Person angefahren wurde.
Ist Neumünster denn ein gutes Einsatzgebiet?
In Neumünster sieht man als Notarzt alles. Wir haben ein großes städtisches Gebiet, die Autobahn, Landstraßen, viel Industrie und ein großes ländliches Umland. Das ist ein ganz spannendes Einsatzgebiet.
Gibt es denn auch etwas, das Sie an Ihrem Beruf stört?
Das sind die Bagatell-Einsätze, zu denen wir leider immer häufiger gerufen werden. Viele sehen uns wirklich als Hausarztersatz oder sind mit ihrem Leben schlicht überfordert. Es rufen Leute bei uns an, weil sie Fieber haben oder seit fünf Wochen Rückenschmerzen, aber nie bei ihrem Hausarzt waren. Der Rettungsdienst musste kürzlich rausfahren, weil sich jemand den Finger geklemmt hat. Das ärgert mich, weil es unnötig Ressourcen bindet und wir nicht zu den Menschen fahren können, die uns wirklich brauchen.
Sind es denn eher ältere oder jüngere Bürger, die wegen einer Lappalie den Rettungsdienst anrufen?
Je jünger und urbaner die Menschen sind, desto lockerer sitzt die 112. Ältere warten in der Regel zu lange, bevor sie sich melden.
Werden Ihnen auch mal Aggressionen entgegengebracht?
Ja, in der Regel sind das verbale Aggressionen. Das sind dann häufiger auch die, die uns eigentlich gar nicht brauchen. Wer wirklich krank ist, wem es wirklich schlecht geht, hat gar nicht die Kraft, uns zu beleidigen oder anzugreifen. Oft sind es auch Beistehende oder Angehörige, die uns verbal angehen. Erst einmal hat mich jemand aktiv angegriffen. Er stand unter Medikamenten- und Drogeneinfluss und kam schlagend und tretend auf uns zu.
Holen Sie dann die Polizei zur Unterstützung?
Ja, ganz klar. In einem Fall kamen wir zu einem Einsatzort, bei dem ein junger Mann aus nicht unerheblicher Höhe aus dem Fenster gefallen war. Als wir eintrafen, lag der Patient auf der Erde und um ihm herum standen drei Typen mit Stangen in der Hand. Da steigen wir zu unserer Sicherheit nicht aus, sondern fahren eine Straße weiter und warten auf die Polizei.
Das ist frustrierend.
Total frustrierend. Wir kommen, um zu helfen und können es nicht.
Was sind besonders schöne Einsätze für Sie?
Immer die Einsätze, bei denen wir helfen können. Wenn wir jemanden, der wirklich schwerstverletzt ist, stabil in die Klinik bringen, ist das ein tolles Gefühl für uns, auch wenn es dem Patienten natürlich total schlecht geht in dem Moment. In einem Fall habe ich einen Patienten, den ich als Notarzt in die Klinik gebracht habe, als diensthabender Arzt auf der Intensivstation weiterbetreut bis zur Entlassung. Das war wirklich toll, und häufig bedanken sich auch Patienten bei uns, schreiben uns nette Briefe, das freut uns sehr.
Wie geht es für Sie beruflich weiter?
Neben der Anästhesie möchte ich mich auch auf Intensiv- und Palliativmedizin spezialisieren. Das steht als nächstes an.
Und wenn Sie einen Wunsch hätten, welcher wäre das?
Dass die Menschen wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen. Viele Probleme kann man alleine lösen.