Bremer Nachrichten, Stadtteil-Kurier Mitte vom 05.06.2023, S. 7 (Wochenzeitung / Donnerstag, Bremen)
Rubrik im PS: | Gesundheitswesen in der Region |
Autor: | Jürgen Theiner |
Auflage: | 9.150 |
Reichweite: | 28.731 |
Ressort: | Bremen |
Bremer Kliniklandschaft
Tauziehen um das Herzzentrum
Krankenkassen begrüßen Verlagerung nach Mitte – Sondersitzung der Gesundheitsdeputation
Bremen. Die Zukunft des Klinikums Links der Weser (LdW) bleibt noch eine Weile in der Schwebe. Ob das dortige Herzzentrum (Kardiologie) samt der benachbarten Fachpraxen an das Klinikum Mitte verlagert wird und das LdW damit insgesamt vor der Schließung steht, wird eine der ersten Entscheidungen sein, die der neue Senat gleich im zweiten Halbjahr zu fällen hat. Der städtische Klinikkonzern Gesundheit Nord (Geno) neigt zu diesem Schritt. Mit einer entsprechenden Empfehlung des Aufsichtsrates an die Politik wird für Ende des Monats gerechnet.
Die Belegschaft des LdW und die Stadtteilpolitik in Obervieland sind für den Erhalt des Herzzentrums am gegenwärtigen Standort, doch jetzt melden sich wichtige Akteure des Gesundheitswesens mit einer konträren Meinung zu Wort: die Krankenkassen. Sie sind die wichtigsten Kostenträger der stationären Gesundheitsversorgung und haben ein ureigenes Interesse daran, dass medizinische Leistungen wirtschaftlich erbracht werden.
In einer gemeinsamen Stellungnahme, die dem WESER-KURIER vorliegt, plädieren AOK, Ersatzkassen sowie Betriebs- und Innungskrankenkassen für einen klaren Schnitt am Standort Links der Weser. Sie "begrüßen eine mögliche Entscheidung der Gesundheit Nord, die Kardiologie... ans Klinikum Bremen-Mitte zu verlagern", heißt es in der Erklärung. Als wesentlicher Grund wird die Personalknappheit bei Pflegekräften und Ärzten genannt. "Wenn durch Maßnahmen erreicht wird, Leistungen an wenigen Standorten zu konzentrieren, steigt die Qualität, und es ist weniger Personal notwendig, das an anderer Stelle dringend benötigt wird und eingesetzt werden kann", begründen die Kassen ihre Haltung.
Schwerpunktzentren als Ziel
Das gelte nicht nur für Strukturveränderungen in der Geno mit ihren vier Häusern in Mitte, Ost, Nord und Links der Weser, sondern für die Bremer Krankenhauslandschaft insgesamt, also unter Einschluss der freigemeinnützigen Kliniken. Auch Diako, St. -Joseph-Stift, Rotes-Kreuz-Krankenhaus und Roland-Klinik sind aus Sicht der Kassen aufgerufen, "das große Potenzial zur trägerübergreifenden medizinischen Schwerpunktbildung im Land Bremen zu nutzen". Diesen Umbau der gesamten Bremer Kliniklandschaft zu steuern, sei "Aufgabe der Landesregierung". Ziel müsse es sein, in Bremen "eine funktionierende flächendeckende Basis- und Notfallversorgung sicherzustellen und zugleich komplizierte und spezialisierte Operationen und Behandlungen in Schwerpunktzentren zu bündeln".
Diese Stoßrichtung verfolgt auch das Gutachten des Instituts HCB, das im vergangenen Jahr von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) in Auftrag gegeben worden war. Dessen grundsätzliche Botschaft lautet: Die Kliniken sollen weg vom medizinischen Gemischtwarenladen und sich zu Kompetenzzentren für die Behandlung einzelner Krankheiten entwickeln. HCB hat in diesem Zusammenhang auch konkrete Empfehlungen zur Zusammenlegung von Behandlungsangeboten an einzelnen Krankenhausstandorten erarbeitet, beispielsweise in der Gefäßchirurgie, der Augenheilkunde und der Urologie.
Im vergangenen Jahr gab es auch bereits einen strukturierten Dialog zwischen den diversen Bremer Klinikträgern über die örtliche Bündelung therapeutischer Angebote. Konkrete Vereinbarungen wurden allerdings noch nicht getroffen – zu ausgeprägt sind nach wie vor noch die Eigeninteressen der jeweiligen Betreiber. Im Januar hatte Senatorin Bernhard vor diesem Hintergrund bereits an die Klinikträger appelliert. Dem Strukturwandel könne man nicht ausweichen, machte Bernhard deutlich. "Niemand darf sich einbilden, er überlebt auf sich allein gestellt."
Irgendwo müsste also ein Anfang gemacht werden, und das könnte die Verlagerung der Geno-Kardiologie ans Klinikum Mitte sein. Die CDU bremst aber nun. Auf ihren Antrag wird die Gesundheitsdeputation am Dienstag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. CDU-Gesundheitspolitiker Rainer Bensch macht darauf aufmerksam, dass nicht nur auf Landesebene, sondern parallel auch im Bund an grundlegenden Veränderungen der Krankenhauslandschaft gearbeitet wird. Denkbar sei zum Beispiel ein Fortbestand des LdW als "Satellitenstandort" des Klinikums Mitte. Bereits jetzt eine Verlagerung des Herzzentrums einzuleiten, ohne dass die veränderten Rahmenbedingungen im Bund klar sind, ist aus Benschs Sicht "ein völlig falsches Signal".
Abbildung: Das Herzzentrum ist das Kernstück des Klinikums Links der Weser.
PETRA STUBBE