Stuttgarter Zeitung, Böblingen vom 30.03.2024, S. 18 (Tageszeitung / täglich ausser Sonntag, Böblingen)
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Auflage: | 8.500 |
Reichweite: | 18.445 |
Ressort: | BOEB |
Nicht nur ä Rädle Wurscht
Zum 40-jährigen Jubiläum gibt es für das Deutsche Fleischermuseum viel Lob, eine neue Ausstellung und Songs von den Doowop Mädla.
Böblingen Manch einem der Besucher kam sicher das Wort Eisbein in den Sinn, denn die Jubiläumsausstellung zu 40-jährigen Jubiläum des Fleischermuseums, genannt "Dein Fleischermuseum", wurde bei weniger als zehn Grad an der frischen Luft eröffnet. Musikalischer Höhepunkt war der Auftritt der Doowop Mädla, die im herrlichen Rosa-Weiß-Outfit der Fünfzigerjahre mit Petticoat schwäbischen Maultaschen-Rock und das neue Lied "Ä Rädle Wurscht" zum Besten gaben.
Doch bevor die Wärme des schrägen Hauses in Böblingen lockte, gab es noch eine Preisverleihung. Dina Sonntag von der Landesstelle für Museen war aus Stuttgart angereist, um dem Museum in Gestalt von Museumsleiter Christian Baudisch zum 40-jährigen Bestehen zu gratulieren und auch einen offiziellen Sammel-Weltrekord bekanntzugeben. Im Museum befinden sich durch fleißige Sammeltätigkeit mehr als 120 Schleifstähle, mit denen man Messer schärfen kann. Die ältesten stammen aus dem 15. Jahrhundert.
Sonntag stellte dem Museum ein exzellentes Zeugnis aus, da es eben nicht nur Fundstücke präsentiere, sondern lebendige Ausstellungen inszeniere und interessante Begleitprogramme organisiere. "Wir betreuen im Land 1200 Museen, die meisten nicht-staatlich, und sehen mit großem Wohlwollen auf das Böblinger Museum, das ich auch schon aus der Coronazeit kenne, in der es als förderungswürdig angesehen wurde", sagte Sonntag.
Auch Oberbürgermeister Stefan Belz lobte das Ausstellungsteam, zu dem auch das Kulturamt gehört, und stellte dem schrägsten Haus in Böblingen ein tolles Zeugnis aus.
Gezeigt werden die Werke von Künstlern nicht nur im Stammhaus, sondern auch im dahinterliegenden Fachwerkhaus, sodass eine Fläche von 700 Quadratmetern zusammengekommen ist. Besonderes Profil des Fleischermuseums waren bisher auch Ausstellungen mit Werken von bekannten Karikaturisten und Buchillustratoren wie etwa Janosch, Helme Heine, Tomi Ungerer, Mordillo und Horst Haitzinger – um nur einige zu nennen.
Das Museum wirbt mit den Worten: "Freu Dich auf Kunst" für die Ausstellung, und freuen kann man sich auf die Werke von Dieter Roth, 3 Hamburger Frauen, Moga Mobo, Thomas Putze, Ralph Fleck, Anna McCarthy, Lovis Corinth, Max Kullmann und andere Bekannte und Unbekannte sowie auf Kunsthandwerk, scharfe und stumpfe Messer, Fotos, Bücher, Grafiken, Kruscht und Schätze, Altes und Neues, und noch vieles mehr.
"Ich habe immer wieder beobachtet, nicht nur in unserem Haus, dass die Leute bei ausgedruckten Bildinformationen oder gar Katalogen diese wahrnehmen und dann relativ schnell zum nächsten Exponat gehen", sagt Museumsleiter Baudisch. "Zum ersten Mal haben wir viele spannende Kunstwerke aufgehängt, die keinerlei Beschriftung haben. Wir wollen damit die Zuschauer anspornen, sich ganz unbeeinflusst ihre eigenen Gedanken zu machen und eigene Gefühle zu entwickeln."
Das Museum lockt nicht nur viele Besucher aus nah und fern an, sondern es ist auch bereits Bestandteil zweier Masterarbeiten der Universität Stuttgart gewesen, die sich vor allem mit dem sogenannten Böblinger Brocken beschäftigen, einem riesigen historischen Türsturz aus Sandstein, der dem Haus einen historischen Stempel aufdrückt und für Atmosphäre sorgt.
Der Audio-, Ton- und Medienkünstler Max Kullmann hat Kinder und Jugendliche zu allen Essensthemen im Museum, daheim, in Schulen und anderswo befragt – und die hatten viel zu erzählen. Max Kullmann animiert: "Kommt vorbei! Lauft durch! Stellt euch rein! Habt Spaß! Hört zu! Lachen, Mitreden und Staunen erlaubt! Es geht um die ganz großen und viele kleine Genuss-Themen."
So lohnt sich also eine Besichtigung der Jubiläumsausstellung, da ungewöhnlich vielgestaltige Exponate das Haus beleben. Das Museum hat eine außerordentliche Entwicklung durchgemacht. Vom Streichkandidaten des Böblinger Kulturlebens hat es sich zu einem modernen, kommunikativen Ausstellungsort gemausert, in dem moderne Kunst, Unterhaltung und die volkskundlichen Aspekte eines Jahrhunderte alten Handwerks lebendig präsentiert werden.
Der Initiator und langjährige Mentor des Deutschen Fleischermuseums in Böblingen, Kurt Nagel, ist im vergangenen Jahr im Alter von 83 Jahren verstorben. 2019 hatte er den Vorsitz des Museumsvereins an Fritz Gempel abgegeben, der bei der Eröffnung anwesend war, ebenso auch Lydia Nagel, die Witwe von Kurt Nagel.
Die neue Jubiläumsausstellung dauert noch einige Zeit, bis zum 16. März 2025.