Schwäbische Zeitung, Bad Waldsee / Aulendorf vom 30.03.2024, S. 16 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Bad Waldsee)
Rubrik im PS: | |
Autor: | Bernd Treffler |
Auflage: | 4.331 |
Reichweite: | 9.398 |
Ressort: | Lokales |
Weltneuheiten sollen für Weitblick sorgen
Beim Richtfest für Aussichtsturm und Holz-Naturfaser-Pavillon herrscht Vorfreude auf die Landesgartenschau in Wangen
Wangen - So klar wie am Montagnachmittag hat sich das Alpenpanorama von Wangen aus wohl selten präsentiert. Ein idealer Hintergrund also für die Botschaft, die Stadt und Landesgartenschau beim Richtfest für den Aussichts-turm und den Holz-Naturfaser-Pavillon aussenden wollten: zwei "Weltneuheiten", die den Blick weiten sollen für nachhaltiges, zukunftsgerichtetes Bauen. Und mit denen Hoffnungen verbunden sind, weit über die Gartenschau hinaus.
Was macht die Bauwerke einzigartig?
Der Aussichtsturm am Schönbühlhang ist laut Landesgartenschau (LGS) der weltweit erste begehbare Turm, dessen schlanke, ressourcenschonende und leistungsfähige Konstruktion durch den kontrollierten Selbstformungsprozess des Holzes ermöglicht wurde. Der Turm soll aber nicht nur ein Vorzeigeprojekt für nachhaltige und zukunftsweisende Architektur sein, sondern auch für faszinierende Ausblicke aufs Alpenpanorama und hinunter ins Argental sorgen.
Einmalig auf der Welt ist laut LGS auch das Pavillongebäude, weil dessen Dach durch eine neuartige, außergewöhnlich leichte Naturfaserstruktur aus Flachs getragen wird. Auch hier wurden die Bauteile und der Wickelprozess digital entwickelt, wie beim Turm handelt es sich um ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Uni Stuttgart. Die 20 Hybridträger aus Holz und Naturfaser sollen zusammen mit der geschwungenen Dachform nicht nur für ein außergewöhnliches Raumerlebnis sorgen, sondern auch die hohen Schneelasten im Allgäu aushalten.
Was passierte bei den Richtfesten?
Dass die Alphornbläser aus Leupolz die beiden Richtfeste von Turm und Pavillon musikalisch begleiteten, dürfte besonders den Gästen aus der Schweiz gefallen haben. Die eidgenössische Firma Blumer Lehmann, bei der die Hölzer für die sechs gewundenen Wandteile vorgeformt worden waren, hatte vergangene Woche innerhalb von drei Tagen den Turm aufgestellt. Für diese "großartige Handwerkerleistung" zollte OB Michael Lang seinen Respekt.
Der Wangener Rathauschef beschrieb den in der Bevölkerung umstrittenen Turm als einzigartigen Aussichtspunkt sowie als Attraktion und Besuchermagnet auch für die Zeit nach der Landesgartenschau. "Der Turm ist bereits jetzt ein tolles Fotomodell und nicht nur ein Projekt für die Gartenschau, sondern auch für die Zukunft des Areals", sagte Lang. Er dankte dabei den Kritikern für die "wertvolle Diskussion", auf die man teilweise reagiert habe: Der Standort wurde vom Hang weiter hinunterverlegt, die Höhe um etwa zehn auf 22 Meter reduziert.
Der mit drei Gläsern Weißwein bekräftigte Richtspruch kam von zwei Schweizer Zimmerleuten in luftiger Höhe. Als Geschenk der Firma für den Bauherrn gab es eine Holzbank, deren Lehne die Vertreter von Stadt und Gartenschau noch anschrauben mussten.
Sogar vier mit Sekt gefüllte Weingläser nahm der Vertreter der Firma Haco aus Wallerstein bei Nördlingen bei seinem Richtspruch auf dem Dach des Holz-Naturfaser-Pavillons zu sich – beobachtet von rund hundert Gästen, die sich unten vor dem Gebäude versammelt hatten. Das geschwungene Dach des Ausstellungspavillons diente danach auch den internationalen Studenten der Uni Stuttgart als Motiv für diverse Erinnerungsfotos.
Wie geht es bei Turm und Pavillon weiter?
Beim Aussichtsturm soll noch in der Karwoche die Hilfskonstruktion ausgebaut werden. Danach werden von der Wangener Firma Biedenkapp die Teile der Stahlwendeltreppe eingehoben und die Plattform auf den Turm montiert. In der Woche nach Ostern werden Plattform, Geländer und Blitzschutz fertiggestellt und die Holzfassade als Schutz der Tragekonstruktion geschlossen. Bis Mitte April sollen der Estrich und die Stufen in den Eingangsbereichen fertig sein. Gleichzeitig werden die Freianlagen und die Zugangswege hergerichtet. Beim Holz-Naturfaser-Pavillon werden diese Woche das Dach gedämmt und abgedichtet sowie die Glasscheiben in die Fassadenkonstruktion eingebaut.
In der zweiten Osterferienwoche folgen laut LGS der Einbau der Elektrotechnik, die Trinkwasser- und Abwasserinstallationen und die Installation der Wärmversorgung. Bis eine Woche vor Start der Gartenschau sollen der Estrich, die Montage der technischen Anlagen und die Freianlagen ums Gebäude fertiggestellt sein. Danach beginnt der Innenausbau für die Ausstellungen.
Was ist in und um den Pavillon bei der LGS geplant?
Während der Gartenschau wird der Pavillon vom Sponsor Kreissparkasse Ravensburg, von der Holzbau-Offensive Baden-Württemberg (innovativer Holzbau) sowie vom Landkreis Ravensburg genutzt. Von Letzterem wird es Dauerausstellungen geben, zu 50 Jahre Kreis Ravensburg und zur Energiewende im Landkreis. Außerdem sind Wechselausstellungen geplant: Im Juli geht es um das Aktionsprogramm zur Sanierung oberschwäbischer Seen, im August lautet der Titel "Erfolgsgeschichte im Moor: Multimediale Impressionen der Rückkehr des Moorfroschs" und in der ersten Septemberhälfte heißt es "hochWASSER geht uns alle an!".
Ergänzt wird der Pavillon (Baukosten des Forschungsprojekts: 1,65 Millionen Euro) durch drei Schaugärten, die der Kreis anlegen lässt: einen Moor-, einen Biodiversitäts- und ein Naschgarten. Eine Landkreistafel mit 39 Stühlen für die Kreiskommunen wird es ebenfalls geben. Auf einer Bühne können sich die Städte und Gemeinden unter dem Motto "Rendezvous mit dem Landkreis" an Wochenenden während der Gartenschau in Sachen Kultur und Kulinarik präsentieren. Den Anfang macht am 28. April Kißlegg, gefolgt von Argenbühl am 4. Mai.
Auch Ämtern und Institutionen bietet der Kreis Ravensburg auf der LGS eine Bühne. Nach der Eröffnung der Gartenschau und des Pavillons am 26. April geht es am 1. Mai mit der Oberschwaben Tourismus GmbH los, die die Barockstraße vorstellt. Weitere Themen Anfang Mai sind ein Kunstworkshop (Tag der Inklusion), Fair-Trade, der Kreis als Arbeitgeber und die Bio-Musterregion.
Und was steckt hinter den "Stufen für die Zukunft"?
Um die Kosten für den Aussichts-turm (2,2 Millionen Euro brutto) mitzufinanzieren und um ein "nachhaltiges Zeichen für Wangen" zu setzen, haben Stadt und Gartenschau GmbH eine Spendenaktion gestartet. Unter dem Titel "Stufen für die Zukunft" kann man symbolisch die Patenschaft für eine halbe (200 Euro) oder eine ganze (400 Euro) Turmstufe übernehmen. Die Paten erhalten ein Namensschild, das auf einer der insgesamt 113 Stufen angebracht wird. Firmen haben zudem die Möglichkeit, die Patenschaft für äußere Holzpanele zu übernehmen.