Flensburger Tageblatt vom 02.04.2024, S. SEITE 7 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Flensburg)
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Auflage: | 19.015 |
Reichweite: | 41.263 |
Ressort: | Wirtschaft |
Wie Bauen klimafreundlich wird
Branche sucht nach Alternativen zum herkömmlichen Stahlbeton, um weniger CO2 auszustoßen
Daniel Batel
Bei der Herstellung von Zement, dem Grundstoff für Beton, wird jährlich dreimal so viel CO freigesetzt wie durch den weltweiten Flugverkehr. Die Emissionen müssen also dringend runter. Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, braucht es Alternativen am Bau.
Erste Projekte deuten an, dass die Zukunftsaussichten gar nicht so schlecht sind: Mit der richtigen Herangehensweise lassen sich Gebäude mit weniger Energie- und Materialaufwand errichten. Vor allem drei Konzepte scheinen vielversprechend zu sein.
Idee 1: Karbonbeton. Der Bau mit Beton hat eine lange Tradition, schon die Römer bauten etwa das Colosseum oder das Pantheon damit. Heute wird er vor allem in Verbindung mit Stahl verwendet. Dadurch wurden Wolkenkratzer erst möglich. Bei Stahlbeton gibt es allerdings ein Problem: Um Rost zu vermeiden, werden die Stahstreben mit riesigen Betonmengen ummantelt.
Zement wird in einem aufwendigen Prozess hergestellt: Kalkstein wird abgebaut, zermahlen und bei bis zu 1450 Grad gebrannt. Das ist extrem energieintensiv. Wie sich Kosten und Material einsparen lassen, zeigt ein Projekt aus Sachsen: Als Weltpremiere setzten die Macher hinter dem "The Cube" genannten Gebäude auf Kohlefaser statt Stahl. Der Vorteil ist, dass Karbon nicht rostet. Dadurch wird weniger Beton benötigt, weil das Material nicht vor Korrosion geschützt werden muss. Die Projektleiter rechnen vor, dass sich so die Hälfte der Betonmenge einsparen ließe, was auch den CO-Ausstoß halbieren würde.
Dafür müssten aber erstmal die eigenen Kosten sinken – aktuell liegt der größte Nachteil der Technik noch in unwirtschaftlichen Preisen begründet. Ein Kilogramm Stahlbeton kostet in der Herstellung etwa 1 Euro, ein Kilo des Hightech-Stoffs Carbonbeton 16 Euro.
Idee 2: Gradientenbeton. Um Ressourcenschonung geht es auch beim Gradientenbeton. Am Institut für Leichtbau der Universität Stuttgart wird unter anderem daran geforscht. Mit dieser Betonvariante ließen sich rund 50 Prozent des Materials auf der Baustelle einsparen.
Der Clou: Bestimmte Stellen zum Beispiel von tragenden Wänden sollen gezielt dort verdichtet werden, wo die Last am größten ist. Andere Bereiche, die dagegen kaum beansprucht werden, sollen durch Hohlräume und Variationen beim Gemisch mit weniger auskommen. Durch diese Optimierung des Innenraums von Bauteilen werden keine überflüssigen Bereiche mehr mit Beton zugekleistert. Bauteile würden so ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit behalten – bei gleichzeitiger Reduktion von Masse und Gewicht.
Laut dem Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, Felix Pakleppa, lassen sich auch bei der Zementherstellung Ressourcen sparen. "Viele Firmen sagen mir: Vielleicht müssen wir den Zement nicht länger auf 1450 Grad erhitzen, sondern 1100 oder 1200 Grad könnten bereits ausreichen", sagt Pakleppa, der ohnehin dafür wirbt, sich vom übertriebenen Perfektionismus im Bau zu verabschieden.
Idee 3: "Smarter" Beton. Der Baugewerbe-Chef betont, dass die Branche künftig auf mehr Digitalisierung setzt. Durch die dreidimensionale Vorplanung von Gebäuden, Straßen oder Tunneln lassen sich Fehler schon erkennen, bevor sie auf der Baustelle tatsächlich auftreten. Dafür braucht es sogenannte digitale Zwillinge. Die sind ein wichtiger Bestandteil von Industrie 4.0, der Hightech-Strategie der Bundesregierung, sprich der intelligenten Vernetzung von Maschinen.
Wenn Beton "smart" wird, könnten sogar Brücken bald deutlich zielgenauer saniert werden. Wie genau das funktioniert, erklärt Philipp Hagedorn vom Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen an der Ruhr-Uni Bochum: "Digitale Zwillinge einzelner Bauteile zeigen an, wo sich etwaige Schwachstellen im Material befinden. Wo früher noch ganze Brücken gesperrt oder in letzter Instanz gesprengt werden mussten, könnte der Verkehr künftig weiterfließen und die Bauten könnten deutlich länger stehenbleiben als bisher."