Welt Bundesausgabe, Die vom 11.09.2023, S. WR4 (Tageszeitung / täglich ausser Samstag und Sonntag, Berlin)
Rubrik im PS: | Arbeitsmarkt |
Autor: | mtn |
Auflage: | 126.304 |
Reichweite: | 386.490 |
Ressort: | Sonderthemen |
Quellrubrik: | Sonderthemen |
Junge Menschen mit Elan gesucht
Viele Ausbildungsplätze sind im Mittelstand unbesetzt geblieben
Fachkräftemangel ist auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein drängendes Problem und Nachwuchs rar. Zum Start des Ausbildungsjahres 2023 am 1. August blieben zahlreiche Ausbildungsplätze im Mittelstand unbesetzt. Der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) fordert daher eine Aufklärungsoffensive in den Schulen, damit junge Menschen eine solide Vorstellung von ihrem zukünftigen Berufsleben bekommen.
Zudem erreicht die Anzahl der Ausbildungsabbrüche eine alarmierende Größenordnung. Jungen Menschen fehle es häufig an einer realistischen Berufsvorstellung mit der Folge, dass der Anteil in der Gruppe der 20- bis 34-Jährigen ohne eine Berufsausbildung stetig zunehme und laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Jahr 2021 bereits bei 17,8 Prozent lag, konstatiert der DMB.
"Das Problem des Fachkräftemangels in Deutschland hängt in erster Linie mit den großen Schwierigkeiten für Unternehmen zusammen, überhaupt ausbildungsbereite und ausbildungsfähige Berufseinsteiger zu finden", sagt Marc S. Tenbieg, geschäftsführender Vorstand des DMB. "Es mangelt schlichtweg an einer ausreichenden Bewerberanzahl, da viele junge Menschen auch mitunter veränderte Vorstellungen von ihrem zukünftigen Berufsleben haben." Zudem werde häufig unterschätzt, wie viel Zeit und Geld Unternehmen tatsächlich in die Ausbildung investieren müssten, um später gute Fachkräfte zu haben.
Strukturelle Probleme
Dabei mangele es häufig nicht an der Kompromissbereitschaft der KMU. "Wir erfahren immer wieder, dass Betriebe in Sachen Schulabschluss oder Noten, dem Alter oder auch eventueller sprachlicher Probleme durchaus bereit sind, Abstriche zu machen", so Tenbieg. Dennoch sei der Zulauf an Kandidatinnen und Kandidaten für die Ausbildungsplätze vielerorts einfach zu gering. Hinzu kämen strukturelle Probleme in der praxisorientierten Schulausbildung. Die Vorteile einer dualen Ausbildung müssten daher anschaulich vermittelt werden.
Für viele Betriebe des Mittelstands steht die Zukunftsfähigkeit auf dem Spiel, wenn es künftig nicht besser gelingt, Auszubildende zu gewinnen. Für die deutsche Wirtschaft ist es darum entscheidend, dass wirksame Maßnahmen getroffen werden, damit mehr junge Menschen die Ausbildungsangebote der Unternehmen wahrnehmen.
Neben Erleichterungen für den Alltag der Auszubildenden, wie der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in der Nähe von Ausbildungsstätten und dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs insbesondere in ländlichen Regionen, müsse laut Tenbieg aber ein grundsätzlich anderer Blick auf die duale Berufsausbildung etabliert werden. Angefangen in den Schulen. "Entscheidend ist, dass mehr junge Menschen diesen Bildungsweg als gleichwertige Möglichkeit gegenüber der akademischen Laufbahn wahrnehmen.
Das funktioniert nur, wenn die entsprechenden Berufsbilder bereits in der Schule mit Praxiszugang dargestellt und die Attraktivität der dualen Berufsausbildung gegenüber einem Studium stärker in den Vordergrund gerückt werden", betont Tenbieg. Lehrkräfte seien in der Pflicht, den Schülerinnen und Schülern Raum für die eigene Berufsorientierung zu geben. Das helfe, Ausbildungsabbrüche zu vermeiden und motiviere junge Menschen gleichzeitig, einen soliden Schulabschluss zu erwerben." Marc Tenbieg appelliert zudem, einer bislang vernachlässigten Gruppe neue Perspektiven zu bieten: "Rund 47.500 Jugendliche haben laut einer Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung die Schule im Jahr 2021 ohne einen Hauptschulabschluss verlassen. Das ist ein Alarmsignal für unser Bildungssystem, und wir müssen alles daran setzen, dass dieses Potential für den Ausbildungsmarkt befähigt werden kann."