Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 07.05.2024, S. 17 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Frankfurt am Main)
Rubrik im PS: | Gesundheitspolitik und Digitalisierung |
Autor: | itz. Mainz. |
Auflage: | 185.662 |
Reichweite: | 822.887 |
Quellrubrik: | Wirtschaft |
Qualitätskontrolle in Arztpraxen
Patientenschützer fordern ambulanten Einsatz des Medizinischen Dienstes
Von itz. Mainz.
Vor Beginn des Deutschen Ärztetags an diesem Dienstag in Mainz hat die Stiftung Patientenschutz mehr Transparenz und eine stärkere Kontrolle der niedergelassenen Ärzte gefordert.
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen müsse nicht nur Kliniken und Pflegeeinrichtungen auf ihre Qualität und die ausreichende Präsenz der dort Beschäftigten hin überprüfen, sondern künftig auch die Praxen, regte Stiftungsvorstand Eugen Brysch an. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollte den Dienst entsprechend beauftragen, sagte Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Eine Systemumstellung der ambulanten Versorgung auf verbindliche Gütekriterien sei überfällig, die Regeln der Kassenärztlichen Vereinigungen reichten nicht aus. Lauterbach wird am Dienstag zur Eröffnung des 128. Ärztetags in Mainz erwartet. Das "Ärzteparlament" tagt dort über Christi Himmelfahrt hinaus noch bis Freitag.
Im Laufe des Mais will der Minister gegen den Widerstand der Krankenhausverbände eine Onlineübersicht über die Qualität aller Kliniken freischalten lassen. Darin können Patienten und einweisende Ärzte sehen, welche Stationen wie viele Therapien und Eingriffe anbieten und mit welchem Erfolg. "Ähnlich diesem Klinikatlas braucht es einen unabhängigen Praxisatlas", forderte Brysch. "Flankierend dazu muss ein verlässliches Bewertungsportal die Zufriedenheit der Patienten erfassen." Brysch verlangte, "Qualität und Erreichbarkeit der Praxen endlich extern zu überprüfen". Der falsche Weg sei es, immer mehr Geld in das System zu stecken. Die ambulante Qualität sei eine "große Unbekannte", schlechte Leistungen würden ebenso honoriert wie gute.
Mit dem Vorstoß reagierte Brysch auf das Anliegen des Ärztetags und seines Präsidenten Klaus Reinhardt, das Patientenaufkommen künftig besser zu steuern. Damit ließen sich angesichts des Ärztemangels vorhandene Kapazitäten besser nutzen, hatte Reinhardt angeregt. "Ärztliche Standesvertretungen und die Gesundheitspolitik überschlagen sich mit Vorschlägen zur Patientensteuerung", entgegnete Brysch. "Dabei muss zunächst die Arbeit der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in den Blick genommen werden." Laut Reinhardt sind rund 4800 Sitze von Hausärzten unbesetzt. Auch in den Hospitälern herrsche Medizinermangel. Dieser sei "in vielen Teilen Deutschlands längst Realität". Jeder vierte berufstätige Arzt sei 60 Jahre oder älter, stehe also vor dem Ruhestand, was die Lage noch erschweren werde. Reinhardt warnte: "Wenn die Politik diese Entwicklungen nicht ernst nimmt, steuern wir auf einen realen Versorgungsnotstand hin."