Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen vom 07.05.2024, S. 2 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Essen)
Rubrik im PS: | Wettbewerber und Region |
Auflage: | 22.946 |
Reichweite: | 49.793 |
Ressort: | Region |
16 gegen Lauterbach?
Die Krankenhausreform spaltet Bund und Länder. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) warnt Berlin vor Alleingängen
Düsseldorf Die neue Krankenhausplanung in NRW geht in die entscheidende Phase. In diesen Wochen ringen das Land, Klinik-Träger, Krankenversicherungen und lokale Politiker darum, welche Kliniken künftig welche Leistungen anbieten dürfen. Worum es dabei geht und worauf sich Bürgerinnen und Bürger einstellen müssen, erklärt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im Gespräch mit Matthias Korfmann.
Herr Laumann, müssen die Menschen mit Krankenhaus-Schließungen rechnen?
Laumann: Die Reform wird zu Veränderungen führen. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit zwischen Kliniken. Es wird aber auch zu Fusionen kommen und damit womöglich auch zu einzelnen Schließungen. Viel mehr beschäftigt mich aber die Gefahr, dass einige Krankenhäuser vorher in die Insolvenz gehen müssen.
Es heißt, vier von fünf Kliniken in NRW schreiben rote Zahlen. Werden viele die Umsetzung der Krankenhausreform gar nicht mehr erleben?
Bei einzelnen könnte das passieren. Wir müssen hier übrigens unterscheiden: Bei der NRW-Reform sind wir schon sehr weit im Prozess. Anders sieht es bei der Bundesreform aus. Der Bund lässt sich beispielsweise zu viel Zeit mit der auskömmlichen Finanzierung der Krankenhäuser. Die hohen Tarifsteigerungen müssen schnell über die Krankenkassen refinanziert werden.
Werden die Wege zur nächsten Klinik länger?
In NRW streben wir an, dass 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung erreichen können, also eines, das die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie anbietet. Aber Fakt ist, wie weit der Weg zur Klinik ist, hängt auch vom Wohnort ab. Im Ruhrgebiet ist die Krankenhausdichte hoch, in Südwestfalen nicht so sehr.
Ist das Ruhrgebiet also überversorgt?
Dort wohnen ja viele Menschen. Im Revier wird man in 20 Minuten auch künftig nicht nur Krankenhäuser der Regelversorgung erreichen können, sondern auch spezialisierte Versorgungsangebote. Auf dem Land ist das nicht immer so einfach. Mit dem neuen Krankenhausplan folgen wir der Devise: Je seltener und spezialisierter eine Leistung ist, desto längere Anfahrtswege müssen möglicherweise in Kauf genommen werden. Aber dafür ist durch die neue Krankenhausplanung auch gesichert, dass ein Haus eine Leistung nur anbieten kann, wenn es genügend Erfahrung damit hat. Für eine Top-Behandlung zum Beispiel bei Krebs ist es der möglicherweise längere Weg definitiv wert. Ortsnähe ist ein Argument, aber es ist nicht in allen Fällen das entscheidende.
Die Krankenhausreform sorgt auch unter Pflegekräften und Medizinern für Unruhe. Was sagt der Arbeitsminister Karl-Josef Laumann jenen, die befürchten, bald woanders und in neuen Teams arbeiten zu müssen?
Es wird weiter in allen Regionen Krankenhäuser geben. Wenn eine Stadt aber zum Beispiel vier Krankenhäuser hat, und alle bieten Knie-Endoprothetik an, dann hat das mit der Versorgungssicherheit der Bevölkerung nichts mehr zu tun. Wenn man dann über die neue Planung konzentriert, so dass nur zwei oder drei Häuser Knie-Endoprothetik anbieten, kann das Personal effektiver eingesetzt werden. Unter Umständen wird es also Arbeitsplatzwechsel geben. Anders gesagt: Das Personal wird den Aufgaben folgen. So groß der Schock verständlicherweise erstmal ist, wenn ein Krankenhaus aus der Versorgung ausscheidet: Die Beschäftigten finden in ihrer Region meist sehr schnell wieder einen guten Job. Die anderen Häuser werden ihnen attraktive Angebote machen. Der Arbeitskräftebedarf ist einfach enorm.
Will Karl Lauterbach sein Gesetz für eine Krankenhausreform gegen alle Widerstände durchziehen, oder wird er am Ende doch die Zustimmung der 16 Länder einholen?
Wenn 16 Länder gemeinsam mit elf konkreten Punkten das von der Ampel vorgelegte Gesetz kritisieren, sollte Lauterbach das sehr ernst nehmen. Solch eine Einigkeit habe ich in meinem langen politischen Leben noch nie erlebt.
Lauterbach bestreitet aber, dass die Länder zustimmen müssen...
Das wäre Wortbruch, wenn er dabeibleibt. Denn er hat vorher in aller Öffentlichkeit klar und deutlich zugesagt, dass er den entsprechenden Gesetzentwurf mit den Ländern gemeinsam erarbeiten und als zustimmungspflichtiges Gesetz einbringen will. Ein von uns, Bayern und Schleswig-Holstein in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zeigt zudem, dass das Vorgehen des Bundes womöglich verfassungswidrig ist, wenn er das durchzieht. Krankenhausplanung ist eindeutig Ländersache. Der Bund sollte unserem Land ein weiteres Heizungsgesetz ersparen.
Und was passiert, wenn Lauterbach das ignorieren sollte?
Dann müssten wir uns mit der Frage beschäftigen, ob NRW vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagt. Bayern würde es wohl auf jeden Fall tun. Eine Klage kann das Gesetz aber nicht aufschieben.
Das heißt, die Klage würde ins Leere laufen?
Nein, aber es würde womöglich einige Zeit ins Land gehen, bevor ein Urteil gefällt wird. Es gibt vorher aber auch noch einen anderen Hebel: Wenn Lauterbach nicht auf uns Länder zugeht, könnte man den Vermittlungsausschuss anrufen.
Rechnen Sie wegen der Reform des Bundes mit steigenden Krankenversicherungsbeiträgen?
Die Beiträge werden mit und ohne Reform steigen. Erstens müssen in einer alternden Gesellschaft mehr Menschen ins Krankenhaus. Zweitens kostet der medizinische Fortschritt Geld.