Westdeutsche Allgemeine WAZ, Essen vom 07.05.2024, S. 1 (Tageszeitung / täglich außer Sonntag, Essen)
Rubrik im PS: | Wettbewerber und Region |
Autor: | Matthias Korfmannund Stephanie Weltmann |
Auflage: | 22.946 |
Reichweite: | 49.793 |
Ressort: | Titel |
Unruhe in NRW-Kliniken wächst
Rote Zahlen belasten viele Häuser. Zugleich streiten Bund und Länder weiter über Reformziele
Von Matthias Korfmannund Stephanie Weltmann
Düsseldorf/Gelsenkirchen Während Bund und Länder um die Krankenhausreform ringen, nimmt die Verunsicherung in vielen Kliniken in NRW zu. Susanne Minten, Geschäftsführerin des Gelsenkirchener Gesundheitskonzerns "Katholische Einrichtungen Ruhrgebiet Nord" (Kern), kritisiert im Gespräch mit dieser Redaktion, dass sie aktuell kaum eine Grundlage für das nächste Geschäftsjahr habe. Welche Bereiche der Verbund mit 7500 Mitarbeitern in Medizin, Pflege und Pädagogik an welchen Standorten aufgeben und welche er aufbauen könne, sei laut dem Unternehmen ungeklärt. "Wir sind in einer Situation der doppelten Unsicherheit", sagt Minten. "Wir haben aktuell nichts, womit wir das nächste Jahr planen können."
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht die Reform insgesamt auf gutem Weg. "Unser Vorteil in NRW ist, dass viele Krankenhäuser längst Teil von Verbünden sind oder mit anderen Kliniken zusammenarbeiten", sagte er der WAZ. Aktuell laufen regionale Verhandlungen darüber, welche Krankenhäuser künftig welche Leistungen anbieten dürfen. Bis zum Jahresende soll die Reform auf einem soliden Fundament stehen.
Laumann stellt klar, dass es im Zuge der Reform "auch zu Fusionen und damit womöglich auch zu einzelnen Schließungen von Krankenhäusern" kommen könne. Pflegepersonal und Mediziner müssten unter Umständen mit einem Arbeitsplatzwechsel rechnen: "Das Personal wird den Aufgaben folgen." Angesichts der Nachfrage nach Fachkräften müssten sich die Betroffenen aber keine Sorgen um Arbeitslosigkeit machen.
Susanne Minten befürchtet, dass sich die Versorgung durch die Pläne des Bundes verschlechtern könnte. So müsse Kern im schlimmsten Fall an zwei Kliniken Geburtshilfen schließen. "Dabei gibt es jetzt schon zu wenig Geburtskliniken. Die Reform ist weit weg von der Realität", sagte Minten.
Zum Hintergrund: Die Bundesregierung bereitet ein Gesetz vor, dass die Klinikfinanzierung neu regeln soll. Dazu gehört die Abkehr von den sogenannten Fallpauschalen: Bisher nehmen die Kliniken dann viel Geld ein, wenn sie viele Patientinnen und Patienten behandeln. Dieses System soll zum Teil von "Vorhaltepauschalen" abgelöst werden: Kliniken können mit diesen garantierten Einnahmen 60 Prozent ihrer Kosten ausgleichen, egal, ob viele Betten belegt sind, oder nicht.
Die in NRW längst begonnene Krankenhausreform dient als Vorbild für ganz Deutschland: Die Kliniken werden "Leistungsgruppen" zugeordnet, wie "Kardiologie" oder "Neurologie", wenn sie in diesen Disziplinen besonders gut sind. Der Streit zwischen dem Bund und NRW dreht sich unter anderem darum, dass Lauterbach die mühsam erarbeiteten Leistungsgruppen offenbar schon 2026 wieder zur Diskussion stellen möchte. Rhein-Ruhr