Rubrik im PS: | Gesundheitspolitik und Digitalisierung |
Visits: | 4.984.820 |
Reichweite: | 166.161 |
Medizin
Künstliche Intelligenz könnte Patienteninformationen vermitteln
Hamburg – Angebote mit Künstlicher Intelligenz (KI) reifen derzeit soweit aus, dass sie sogar für sensible Bereiche, wie die Vermittlung von Patienteninformationen infrage kommen. KI-generierte Informationen zu den häufigsten Patientenfragen bei Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) erreichten eine überraschend gute Qualität. Die aktuelle Studie ChatSLE zeigt am Beispiel von SLE auf, dass Large Language Modelle Behandler bei vielen Fragestellungen im Gespräch mit Erkrankten entlasten könnten (The Lancet Rheumatology; DOI: 10.1016/S2665-9913(24)00056-0).
Nach der Diagnose von chronischen Erkrankungen, wie SLE, haben Betroffene viele Fragen zum Umgang mit der entzündlich-rheumatischen Erkrankung und zum therapeutischen Vorgehen. Der Verband Lupus Europe hat die 100 häufigsten Patientenfragen zum Management von SLE als Service für Betroffene auf der Website lupus100.org beantwortet und in 14 Sprachen übersetzt.
Das Large Language Model ChatGPT-4 beantwortete die gleichen 100 Patientenfragen zu SLE eigenständig und zwar anhand von großen Datensätzen und neuronaler Netzwerke die sich auf die Generierung von ansprechenden und laienfreundlichen Texten spezialisiert haben.
Ein Vergleich der schriftlich ausgegebenen Antworten mit den Antworten der Rheuma-Expertinnen und -experten von Lupus Europe ergab im Rahmen der ChatSLE-Studie für die Forschenden ein überraschendes Ergebnis: "Bei der verblindeten Evaluation erreichten die KI-generierten Antworten höhere Qualitätswerte als die der Rheumatologinnen und Rheumatologen der Webseite", berichtete Studienleiterin Isabell Haase, Oberärztin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Sprecherin der Arbeitsgruppe Junge Rheumatologie (rheumadocs) der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie (DGRh).
In Bezug auf Empathie wurden die Antworten des ChatGPT als gleichwertig zu den Statements der Expertinnen und Experten eingestuft, wobei jedoch diese Beurteilung ausschließlich durch Mediziner erfolgte. Eine Bewertung der KI-basierten Antworten durch SLE-Betroffene steht derzeit noch aus. Bei längeren Antworten wurden die KI-generierten Texte sogar tendenziell als empathischer empfunden.
"In der ärztlichen Sprechstunde fehlt dagegen oft die Zeit für ausführliche Gespräche", so die Erfahrung vom Co-Autor der Studie Martin Krusche, stellvertretender Leiter der Sektion Rheumatologie am UKE und Mitglied der Kommission Digitale Rheumatologie der DGRh.
Eine einfühlsame und adäquate Kommunikation sei allerdings die Grundlage für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis, betonen die Studienautoren. Daher könnte der Einsatz von ChatGPT-generierten Texten, die teilweise adaptiert und nur sehr selten korrigiert werden müssten vor allem wegen des zu erwartenden eklatanten Fachärztemangels im Bereich Rheumatologie hilfreich sein. Large Language Modelle wie ChatGPT-4 hätten somit das Potenzial Patientenfragen mit guter Qualität und genügend Empathie zu beantworten, schlussfolgern die Studienautoren.
zum Thema
aerzteblatt.de
In Deutschland seien aktuell nur 700 niedergelassene Rheumatologinnen und Rheumatologen tätig, dem 1,8 Millionen Rheumaerkrankte gegenüber stehen. "Die Zahl der niedergelassenen Rheumatologinnen und Rheumatologen müsste ungefähr dreimal so hoch sein, um eine gute Versorgung sicherzustellen", kommentierte DGRh-Präsident Christof Specker, Direktor der Klinik für Rheumatologie & Klinische Immunologie am evangelischen Klinikum Essen-Mitte.
Um den hohen Bedarf an Fachkräften in diesem Bereich zu stärken hat die DGRh auch Schritte für den für den Ausbau der rheumatologischen Weiterbildung mit der Kampagne rheuma2025.de eingeleitet. "Neben diesen langfristigen Maßnahmen sollten wir aber auch das Potenzial neuer Technologien nutzen, um die Versorgungssituation kurzfristig zu entspannen", empfahl Specker. © cw/aerzteblatt.de